Sittenbild aus dem Pott

RUHRGEBIET Mit einer Haushaltslüge gewann die SPD vor drei Jahren in Dortmund die Kommunalwahl. Doch aus der Wahlwiederholung ging sie jetzt sogar gestärkt hervor

Die Wahlbeteiligung ist auf einem Rekordtief. Die SPD stützt sich auf ihre Stammwähler

VON ANDREAS WYPUTTA

BOCHUM taz | Die Dreistigkeit, mit der Dortmunds scheidender SPD-Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer 2009 seine Wählerinnen und Wähler täuschte, war einzigartig: Bis zum Abend der Kommunalwahl hatte das damalige Stadtoberhaupt versichert, die „Westfalenmetropole“ habe keine gravierenden Finanzprobleme. Nur einen Tag nach der Wahl verkündete er plötzlich eine Haushaltssperre. Denn die drittgrößte Stadt Nordrhein-Westfalens steht vor der Pleite: Der Schuldenstand liegt aktuell bei rund 2,2 Milliarden Euro. Allein an kurzfristigen Kassenkrediten sind 1,3 Milliarden Euro fällig.

Seit drei Jahren zetert die Opposition: „Haushaltslüge!“. Doch in wirkliche Schwierigkeiten gebracht hat Langemeyer seine seit Kriegsende regierenden Genossen in der „Herzkammer der Sozialdemokratie“ (Herbert Wehner) trotzdem nicht. Schon 2010 wurde sein SPD-Nachfolger Ullrich Sierau im Amt bestätigt. Und auch die nach einem Prozessmarathon erzwungene Neuwahl des Stadtrats vom Sonntag kennt, zumindest auf dem Papier, nur einen Sieger: die SPD.

Auf formal 43,7 Prozent kamen die Sozialdemokraten in Dortmund wieder, sie konnten sich damit sogar um fast 6 Prozentpunkte verbessern. Auch die Grünen legten noch einmal 1,8 Punkte zu und erreichten mit 17,2 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis bei einer Dortmunder Ratswahl – und das, obwohl die Partei es im vom Fluglärm geplagten Osten der Stadt versäumt hatte, einen wählbaren Kandidaten aufzustellen. Die Piraten standen nicht zur Wahl, weil sie schon 2009 nicht angetreten waren.

Verlierer sind dagegen die CDU mit 27,2 Prozent und die FDP mit 2,6 Prozent. Auch die Linkspartei konnte nur 3,5 Prozent der Wählerinnen und Wähler überzeugen. Zwar hatten die Linken im Wahlkampf Parteigrößen wie Oskar Lafontaine aufgeboten – trotzdem landeten sie nur noch auf PDS-Niveau.

Doch von einem Triumph der Sozialdemokraten ist trotzdem keine Rede. Denn der Erfolg der Genossen wurde mit einer erschreckend niedrigen Wahlbeteiligung erkauft: Die lag nur noch bei 32,7 Prozent – faktisch haben also nur 14 Prozent aller Wahlberechtigten in Dortmund diesmal die SPD gewählt. Allerdings wissen die Genossen noch immer ihre Mitglieder hinter sich. Allein in Dortmund besitzen 25.000 Menschen ein SPD-Parteibuch – fast zehnmal so viel wie in ganz Mecklenburg-Vorpommern.

Doch die sozialdemokratische Dominanz neigt sich auch im Ruhrgebiet zu Ende zu. „Die SPD ist die Partei der geborenen Dortmunderinnen und Dortmunder, die Grünen und in der Tendenz auch die CDU eher die Partei der woanders geborenen“, schreiben selbst die Statistiker der SPD-beherrschten Stadtverwaltung in einer Wahlanalyse – und machen klar, dass die Genossen vor allem wegen der Landespolitik ihrer Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gewählt worden sind. „Das ist der Kraft-Effekt“, sagt auch die grüne Landtagsabgeordnete Daniela Schneckenburger aus Dortmund. „An den Kommunalpolitikern kann es nicht liegen.“

Eine rot-grüne Koalition wie unter Kraft ist in Dortmund aber nicht in Sicht. Die Sozialdemokraten werden ihre Mehrheiten wohl weiter in einer informellen Koalition mit der CDU suchen. Auf Offerten des Dortmunder SPD-Chefs Franz-Josef Drabig, doch zumindest nach der nächsten regulären Wahl 2014 wieder ein Bündnis anzustreben, reagieren führende Grüne mehr als zurückhaltend. „Bis heute“, sagt der bisherige grüne Ratsfraktionsvorsitzende und frisch gewählte Landtagsabgeordnete Mario Krüger, „hat die SPD kein Interesse an unseren Themen wie Fluglärmbekämpfung, Naturschutz oder präventiver Sozialarbeit gezeigt.“