Die Rivalinnen

Stabhochspringerin Silke Spiegelburg gewinnt bei der Hallen-EM in Turin die Silbermedaille, Anna Battke Bronze. Ein heftiger Streit über Doping in ihrer Sportart hat die Sportlerinnen entzweit

AUS TURIN SUSANNE ROHLFING

Nur im Triumph verlässt Silke Spiegelburg ihre Stabhochsprungwelt. Dann zeigt sie Gefühl. Jubelt noch im Flug, strahlt, winkt in die Menge. Vorher ist sie ganz tief abgetaucht, weit weg von allem, was um sie herum passiert. Ihre Kollegin Anna Battke ist da ganz anders. Sie kokettiert zu jeder Zeit des Wettkampfes mit denen, die ihr zuschauen. Sie strahlt oder zieht einen Schmollmund, wälzt sich lasziv auf der Matte herum, lässt alle teilhaben an ihrem Innenleben. Es sind zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Im Auftreten ebenso wie in ihrer Haltung zur Dopingproblematik. Beide haben sie auf ihre Art Erfolg.

Bei den Hallen-Europameisterschaften der Leichtathleten in Turin nun hätten sich ausgerechnet Spiegelburg und Battke am Samstag beinahe Platz zwei teilen müssen. Die Mainzerin Battke hatte beeindruckende Flüge hingelegt, scheiterte aber an 4,75 Metern. Die Leverkusenerin Spiegelburg ging kein Risiko ein und flog dennoch so hoch wie noch nie: 4,75 Meter. Deutscher Hallenrekord. Die Silbermedaille gehört ihr allein.

Gold ging an die Russin Julia Golubschikowa, die auf ihrem Weg über die 4,75 Meter einen Fehlversuch weniger benötigte als Spiegelburg. Die einsame Königin der Disziplin, die russische Olympiasiegerin und Weltrekordhalterin Jelena Issinbajewa, hatte auf eine Teilnahme an der EM verzichtet.

Spiegelburg wird in einer Woche 23 Jahre alt, ihr Trainer Leszek Klima bezeichnet sie als „harte Arbeiterin“. Jahr für Jahr hat sie ihre Bestleistung hochgeschraubt. Battke ist gut ein Jahr älter. Ihre Leistungen sind weniger stabil, aber teilweise sind ihre Sprünge phänomenal, sie deuten ein großes Potenzial an. „Wenn sie weiter so gesprungen wäre wie zu Beginn des Wettkampfes, wäre sie locker über 4,80 Meter gekommen“, sagt Klima in Turin.

Spiegelburg wurde zweimal Jugend-Europameisterin, mit 19 überflog sie 4,48 Meter und stellte einen Junioren-Weltrekord auf. Battke gewann 2007 Bronze bei der U-23-EM, im selben Jahr schraubte sie ihre Bestleistung auf 4,56 Meter. Spiegelburg kam auf 4,57 Meter, wurde bei der Nachwuchs-EM aber nur Vierte. Der Grund: ein heftiger Streit mit Battke. Und das kam so: Battke ist mit Balian Buschbaum liiert, der damals noch Yvonne Buschbaum hieß und bekannt gegeben hatte, eine Geschlechtsumwandlung vornehmen lassen zu wollen.

Buschbaum gab die Karriere als Stabhochspringerin auf, da die Einnahme von männlichen Geschlechtshormonen anstand. Steroide sind im Sport als Dopingmittel verboten. Battke kam nun aber zu Ohren, dass Spiegelburg in Leverkusen das Gerücht verbreite, Battke würde auch ein paar der Medikamente ihres Partners schlucken.

„Ich habe von mehreren Seiten gehört, dass sie das gesagt hat“, erklärt Battke. „Ich weiß nicht, wie dieses Gerücht aufgekommen ist“, sagt Spiegelburg, „ich war stinkig, ich habe mich angegriffen gefühlt.“ Ihr Trainer Klima erinnert sich: „Das war ein ziemlicher Zank, Silke ist daran kaputtgegangen.“ Battke hatte sie eine Woche vor der Junioren-EM mit den angeblichen Verdächtigungen konfrontiert. „Aber nicht, um Psychoterror auszuüben“, betont diese. Seither seien die beiden besten deutschen Stabhochspringerinnen „nicht die besten Freundinnen“, sagt Klima. Aber er ist überzeugt: „Für die Leistung ist das gut.“ Battke und Spiegelburg beteuern beide, die Sache sei ausgeräumt. Allerdings tritt Battke seither als strikte Dopinggegnerin auf.

Im Frühjahr 2008 malte sie sich bei der Hallen-WM in Valencia Antidoping-Slogans auf den schlanken Körper. Und auch in Turin stand mit Edding auf ihrem Oberschenkel geschrieben: „Stoppt Doping“. Battke macht Andeutungen, wen sie meinen könnte, konkret wird sie allerdings nicht.

„Das ist sehr mutig, was sie macht“, sagt Spiegelburg. Sie selbst schiebt das Thema von sich, glaubt, dass im sehr technischen Stabhochsprung mit Doping nicht viel zu holen sei. Sie sagt: „Wenn ich das zu nah an mich heranlassen würde, könnte ich mich nicht mehr auf meinen Wettkampf konzentrieren.“ Sie hofft, dass die Antidopingforschung aufschließen kann. Sie will einen sauberen Sport.

Battke ist indes überzeugt, dass Doping auch im Stabhochsprung helfen kann. „Athleten, die nicht schnell sind, werden schnell“, sagt sie. Und stark. Und dann fliegen sie automatisch höher. Battke von der USC Mainz lebt für ihren Sport, aber für ehrlich und sauber hält sie ihn nicht. Sie sagt: „Es wird viel mehr gedopt, als man glaubt.“ Zwei Frauen, zwei Meinungen, zwei Medaillen.