Bahn versucht sich in Schadensbegrenzung: PR-Chef entlassen

Die schmutzigen Tricks der Bahn. Ein Berliner "Thinktank" verbreitete mit angeblich unabhängigen Umfragen und Texten Bahn-Propaganda in Zeitungen und Online-Foren.

Der Deutschen Bahn entgleisen nicht nur ab und zu die Züge, sondern auch mehr und mehr ihre Contenauce. Bild: dpa

BERLIN taz/dpa | Wegen verdeckter PR-Aktionen hat die Deutsche Bahn ihren Generalbevollmächtigten für Marketing und Kommunikation entlassen. Ralf Klein-Bölting sei "mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden worden", teilte ein Bahnsprecher am Freitag in Berlin mit. Klein-Bölting sei bei der Bahn zuständig für verdeckte PR-Aktionen gewesen.

Am Donnerstag hatte die Bahn AG zugegeben, 1,3 Millionen Euro für nicht als solche deklarierte Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben zu haben. Mit fingierten Leserbriefen und Beiträgen in Online-Foren und Tageszeitungen versuchte das Unternehmen im Jahr 2007, gute Stimmung für die Bahnprivatisierung zu machen. Zudem bezahlte der Konzern private Lobbyunternehmen, die etwa fragwürdige Meinungsumfragen veröffentlichten, nach denen eine Mehrheit der Bevölkerung den Lokführerstreik von 2007 ablehnte.

Der Konzern habe versucht, "Öffentlichkeit und Politik dadurch zu beeinflussen, dass vermeintlich unabhängige Dritte im Sinne der Bahn in die öffentliche Diskussion eingriffen", sagte Ulrich Müller, geschäftsführender Vorstand von Lobbycontrol. Die Organisation hatte die fragwürdigen PR-Aktionen aufgedeckt. "Damit haben sich die schlimmsten Vorwürfe bestätigt", sagte der Bahn-Experte der Grünen, Winfried Hermann, der taz. "Es wird immer deutlicher, dass Hartmut Mehdorn ein Stasi-ähnliches System aufgebaut hat".

Die Bahn AG bestätigte Lobby-Control mittlerweile schriftlich, die Lobby-Agentur "European Public Policy Advisers" (EPPA) mit der verdeckten Öffentlichskeitsarbeit beauftragt zu haben. EPPA-Geschäftsführer Rüdiger May war zu dieser Zeit auch Geschäftsführer der Berliner "Denkfabrik" Berlinpolis. Der "Thinktank" habe die Maßnahmen im Auftrag der EPPA umgesetzt.

Berlinpolis bezeichnet sich selbst auf seiner Internetseite als einen der "national und international anerkanntesten Think Tanks" und sein Gründer Daniel Dettling lobt sich dort selbst als einen der "renommiertesten Politikexperten in Deutschland". Allem Anschein nach ist Dettling aber wohl als bezahlter Lobbyist unterwegs.

So veröffentlichte Berlinpolis 2007 eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa, die angeblich belegte, dass 58 Prozent der Bevölkerung sich von einer Teilprivatisierung der Bahn einen besseren Service und mehr Kundenorientierung erwarteten. Auch gelang es dem Lobbyisten Dettling immer wieder, seine Bahnvorstands-freundlichen Artikel in der Presse unterzubringen. So konnte er zum Beispiel im redaktionellen Teil des Tagesspiegels, der Financial Times Deutschland und des Wirtschaftsmagazins Capital für die Bahnprivatisierung werben. Der taz bot Berlinpolis ebenfalls Texte zur Bahnprivatisierung an, die jedoch nicht publiziert wurden. Noch im März 2009 trat Dettling im Bahn-eigenen Fernsehkanal "Bahn TV" auf und lobte darin die Geschäftsstrategie des Konzerns.

In die PR-Aktivitäten der EPPA war 2007 auch Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) eingebunden. Er schrieb ein Vorwort für die Berlinpolis-Publikation "Die Zukunft der Mobilität" und hielt ein Referat zur Bahnprivatisierung auf einer Veranstaltung, die von Berlinpolis mitveranstaltet wurde. Ein Ministeriumssprecher bezeichnete die aufgedeckten Praktiken als "absolut inakzeptabel". Tiefensees Mitwirkung sein "in völliger Unkenntnis der Manipulation" geschehen.

Dettling war am Freitag für eine persönliche Stellungnahme nicht erreichbar. Schriftlich ließ er über Berlinpolis mitteilen, es habe für die Publikation "Die Zukunft der Mobilität" keinen Einfluss der Deutschen Bahn AG gegeben. Es bestehe zudem seit 2008 kein geschäftlicher Kontakt zur EPPA GmbH.

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