Kommentar Börsengang der Bahn: Die Bahn wird verscherbelt

Die Zeiten, um an die Börse zu gehen, sind denkbar ungünstig. Entgegen aller ökonomischen Vernunft besteht Bahnchef Mehdorn trotzdem darauf, diesen Schritt jetzt zu vollziehen.

Was unterscheidet die Unternehmen Schott Solar und Deutsche Bahn voneinander? Das erste ist lernfähig, das zweite offenbar nicht. Zu Beginn der Woche kündigte der Solarzellenhersteller an, den lange geplanten Börsengang auf unbestimmte Zeit zu verschieben - für die Tochterfirma des Mainzer Schott-Konzerns waren die Risiken angesichts der Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten einfach zu groß. Die Deutsche Bahn und ihren Chef Hartmut Mehdorn ficht das alles nicht an: Sie wollen am 27. Oktober an die Börse. Koste es, was es wolle.

Damit droht, was Privatisierungskritiker immer befürchtet haben: Der staatseigene Mobilitätskonzern, jahrzehntelang mit Milliarden an Steuergeldern gestopft, wird nun unter Wert verscherbelt. Denn unklar ist, ob sich überhaupt Privatanleger finden, die sich in diesen Zeiten an Aktien wagen. Und institutionelle Anleger werden auf einem ordentlichen Rabatt bestehen, sollten sie überhaupt zugreifen. Gerade mal vier Milliarden Euro an Einnahmen seien insgesamt zu erwarten, schätzen Bahnkenner.

Für solch vergleichsweise bescheidene Summen können sich nun renditeinteressierte Großanleger strategischen Einfluss auf die Deutsche Bahn sichern, die ihre Verkehrssparte zu 24,9 Prozent verkaufen will. Das kann fatale Folgen haben, wie etwa das Beispiel der traditionsreichen Hamburger Reederei Hapag Lloyd zeigt: John Fredriksen, einer der größten Minderheitsaktionäre der Reederei-Mutter TUI, setzte Abspaltung und Verkauf der lukrativen Reederei durch.

Sinnvoll wäre nun, den Börsengang der Bahn wenigstens auszusetzen. Einen solchen Schritt aber fürchtet Mehdorn, weil damit die gesamte Debatte über Sinn und Unsinn der Teilprivatisierung der Bahn neu aufflammen würde, was das Ende des umstrittenen Projekts bedeuten könnte. Denn diese Debatte würde im Bundestagswahljahr 2009 geführt werden - das können die Privatisierungsfreunde von CDU und SPD nicht gebrauchen. Deshalb heißt es nun für Mehdorn: Augen zu und durch, gegen jegliche ökonomische Vernunft.

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Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.

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