Kommentar Schuldenbremse: Jenseits der Normallage

Eine Schuldenbremse ist sinnvoll. Aber dann muss man sie auch richtig machen und die Neuverschuldung nicht nur einfach ein wenig verlangsamen.

Eine Schuldenbremse im Grundgesetz ist sinnvoll. Derzeit müssen im Bundeshaushalt jedes Jahr 42 Milliarden Euro nur für Zinsen (ohne Tilgung) aufgewendet werden. Und auch die Landeshaushalte ächzen unter der Zinsbelastung. Dazu kommt, dass dieses Geld nicht in sinnvolle Ausgaben investiert werden kann, zum Beispiel in Bildung, Soziales und Klimaschutz.

Während die von Union und FDP geforderten Steuersenkungen die Gestaltungsmöglichkeiten des Staates verringern, ist eine Schuldenbremse nicht unsozial, weil sie die Handlungsfähigkeit der Politik langfristig sichert. Leider ist eine strenge Schuldenbremse auch notwendig, weil es der Politik bisher - entgegen allen Versprechungen - nicht gelungen ist, eine antizyklische Haushaltspolitik zu machen.

Das sinnvolle Modell des linken Wirtschaftswissenschaftlers Keynes sieht vor, dass der Staat in Zeiten der Krise die Nachfrage stützen muss und dafür Kredite aufnimmt. Keynes erwartet jedoch auch, dass die Kredite im Aufschwung zurückgezahlt werden.

Das aber funktioniert seit 40 Jahren nicht. Grund dafür ist nicht zuletzt die hohe Arbeitslosigkeit. Solange es selbst bei guter Konjunktur noch 3 Millionen Erwerbslose gibt, scheint es der Politik nicht möglich, die Staatsausgaben so zurückzufahren, wie es haushaltspolitisch notwendig wäre.

Auch das Modell, das am Freitag im Bundestag diskutiert wurde, stellt nicht sicher, dass Keynes Grundsätze künftig richtig angewandt werden. Die Neuverschuldung wird nur verlangsamt und kommt bestenfalls ins Stocken. Ein Abbau der hohen Schuldenlast ist nicht vorgesehen. Also bleibt auch die hohe Zinsbelastung des Bundeshaushalts.

Doch selbst die eher bescheidenen Ziele der Schuldenbremse sind gefährdet. Neue konjunkturbedingte Schulden sollen nämlich nur bei guter Konjunktur jenseits der "Normallage" getilgt werden. Es kommt also sehr darauf an, was letztlich als Normallage definiert wird.

Es ist zu befürchten, dass es letztlich kaum Zeiten geben wird, in denen auch nur die neuen Schulden getilgt werden müssten. Keynes würde das jedenfalls nicht gefallen.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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