Kommentar Guantánamo-Prozesse: Rechtsstaat gegen George W. Bush

Bush verhöhnte mit den Verstößen seiner Regierung gegen die Vorgaben des Obersten Gerichts den Rechtsstatt. Doch eine Amtsenthebung kommt kurz vor dem Wechsel nicht in Frage.

Wenn es nicht um das Leben und die Grundrechte von 270 Menschen ginge, könnte man es für ein lustiges Spiel halten, das die US-Regierung unter Präsident George W. Bush und die Richter des Obersten Gerichtshofes seit nunmehr vier Jahren spielen. Immer wieder erklären die Richter die Justizvorstellungen der Regierung für verfassungswidrig und machen konkrete Auflagen - und immer wieder hält sich die Regierung nicht daran. Ja, sie konterkariert alle Versuche des Kongresses, die strafrechtliche Verfolgung Terrorverdächtiger auf rechtsstaatliche Weise zu regeln.

Was aber bedeutet es, wenn eine Regierung kontinuierlich gegen die Vorgaben des Obersten Gerichts des Landes verstößt? Ganz einfach, sie bricht mit der Idee des Rechtsstaates. Statt sich an geltendes Recht zu halten und dieses unterschiedslos auf alle BürgerInnen anzuwenden, verhält sich die Regierung Bush wie das Regime eines Unrechtsstaates. Tatsächlich verhöhnt sie schon eine ganze Weile und mit einer ungeheuerlichen Unverfrorenheit das oberste Organ der Rechtspflege in den USA. Gegen jeden Bürger, der so gegen geltendes Recht verstieße, hätte der Staat Sanktionsmechanismen zur Verfügung. Gegen die Regierung scheinen sie zu fehlen. Nach der US-Verfassungslogik lieferte die Entscheidung des Obersten Gerichts nun eine ausgesprochen stichhaltige Begründung, um im US-Kongress ein Amtsenthebungsverfahren gegen die Regierung zu beschließen.

Das wird es freilich ein halbes Jahr vor dem Ende von Bushs Amtszeit nicht geben - dennoch ist nunmehr der Kongress gefordert. Die demokratische Mehrheit kann sich zumindest jedem neuen Versuch der Regierung widersetzen, eine offenkundig rechtswidrige neue Gesetzesgrundlage zu schaffen.

Die Debatte über die Rechte der Guantánamo-Häftlinge bietet im Wahljahr den Präsidentschaftskandidaten die Chance, sich zu profilieren. Das gilt besonders für den Republikaner John McCain, der in dieser Frage bislang eher als Widersacher George W. Bushs aufgefallen war, aber auch für den Demokraten Barack Obama. Die Reaktion der Kandidaten wird einen Hinweis darauf geben, wie viel Veränderung in den USA tatsächlich zu erwarten ist.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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