Wie PR-Strategen Themen platzieren: Die getarnten Zulieferer

Der schmale Grat zwischen PR und Journalismus wird von Strategen genutzt, um Themen in Medien zu lancieren. Ein Erfahrungsbericht

Ist die PR-Vorarbeit gut, landen Promotion-Texte 1:1 in mancher Zeitung. Bild: dpa

Wir, zwei prekär freischaffende, aber umso adretter gewandete Herren, begeben uns eines Morgens in unseren bescheidenen Autos auf den Weg. Unser Ziel ist das Büro des regionalen Arbeitgeberverbandes. Dort dürfen wir unser aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördertes Projekt für kleine und mittlere Unternehmen vorstellen. Vollkommen unabhängig davon, wie die Umsetzung läuft - und sie läuft alles andere als prickelnd -, geht es bei unserer Mission darum, eine Eins-a-Projektpräsentation zu performen.

Unsere PR-Strategie sieht die Einbindung regional wichtiger Akteure als Multiplikatoren für unser von gigantischer Innovationsfreude getragenes Anliegen vor. Wir sprechen von der "Bündelung endogener Potenziale zur Wirtschaftsförderung" und wollen in unserem kleinen, sympathischen Ex-Zonenrandgebiet der guten alten Bundesrepublik unsere Ideen "in den Köpfen der Entscheider verankern".

Die Bedeutsamkeit dieses mit großen Erfolgsaussichten ausgestatteten Pilot-Projektes für die hauptsächlich von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägte Wirtschaft wurde dem zuständigen Landesministerium lange zuvor in einem voluminösen Antrag Marke "Drittmittelantragsprosa" dargelegt. Die zu erwartenden Impulse und deren Nachhaltigkeit einer aus öffentlichen Mitteln geförderten Pilotphase gilt es nun schlagfertig zu vermitteln.

"Souveränes Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit" wäre für unser Gastspiel sehr spitz formuliert - immerhin sitzen Herr Doktor und Herr Diplomingenieur den Freunden vom Arbeitgeberverband mit unternehmerfreundlich präsentiertem, mehr als solidem Halbwissen und einer fetten Powerpoint-Präsentation ausgestattet gegenüber. "Und, wie waren wir?", fragt Dr. Projektleiter auf der Heimreise. "Wir waren gut!", sage ich. Mission erfüllt.

So oder so ähnlich dürfte es tagtäglich laufen, geht es um die Außendarstellung von mit öffentlichen oder privaten Mitteln geförderten Projekten. Gern nehmen sie eine gewisse Deutungshoheit für ihr jeweiliges Terrain in Anspruch und haben einen Riesenbedarf an Berichterstattung in lokalen, regionalen und überregionalen Medien. Natürlich ausschließlich positiver, versteht sich.

Sinnigerweise planen die Finanziers in ihre Etats entsprechende PR-Budgets ein, um ausgewiesene Experten zu beauftragen, für die projektgemäßen medialen Erregungszustände zu sorgen. Die preisgünstigste Variante dafür sind redaktionelle Beiträge in den jeweiligen Speerspitzen des investigativen Journalismus.

Als freischaffender PR-Arbeiter baue ich für mein Projekt also systematisch Kontakte zu Redaktionen in meinem Umfeld auf, mache mich dort bekannt und komme auch einmal persönlich zum unter enormem Produktionsdruck stehenden Redakteur, um ihm die gewünschten Informationen zuzutragen. Für hintergründige Recherche hat dieser nämlich meist keine Zeit. "Machen Sie sich zum Partner des Redakteurs", hört man dazu in den entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen. Will meinen, dass ich den Redakteur mit allem Erdenklichen unterstütze, was er brauchen könnte. Ich biete redaktionelle Themen, Pressemeldungen, komplette Texte und Wortlaut-Interviews an und lasse auch schon mal anklingen, dass wir darüber nachdenken, das Projekt später im Anzeigenteil zu bewerben.

Professionelles Bildmaterial habe ich selbstverständlich ebenfalls im Angebot. Abdruck natürlich honorarfrei. Auch die Redaktionen müssen sparen. Die entsprechenden Bildunterschriften, die mein Projekt ins richtige Licht rücken, werden direkt mitgeliefert. Sind die Vorarbeiten gut, kann ich nach einer Pressekonferenz oder anderen stimulatorisch wertvollen Events meine Texte und Fotos mitunter 1:1 in der Zeitung goutieren. Mission erfüllt.

Schalte ich für das Projekt tatsächlich Anzeigen - und im Kontakt mit Redaktionen kann es durchaus vorkommen, dass man dezent darauf hingewiesen wird, dieser Vorgang wäre der Publikation unseres Anliegens zuträglich -, soll der Leser das nach Möglichkeit nicht sofort bemerken. Wir wollen ja keinen gekauften PR-Beitrag! Keinesfalls positioniert man unser Inserat direkt neben dem zugehörigen Artikel - zu offensichtlich. Die Annonce erscheint zufälligerweise auf den Seiten davor oder danach. So taucht das Projekt gleich zweimal auf. Vielleicht schalte ich aber auch zeitlich versetzt.

Dem Redakteur schlage ich vor - ganz wichtig: im Konjunktiv, denn der suggeriert zumindest noch eigene Entscheidungsmöglichkeiten -: Wenn es ihm möglich wäre, könne er den Artikel ja mit diesem oder jenem Bild begleiten und in der Bildunterschrift kurz auf uns und unsere Homepage hinweisen. Steht der Redakteur im Interesse seiner Geschäftsleitung ökonomisch hinreichend unter Strom - und das ist bei nicht wenigen der Fall -, lesen wir auch das so in der Zeitung. Später bedanke ich mich akkurat für die gute Zusammenarbeit. Denn Lob ist ein mehr als rares Gut in den Redaktionsstuben und kommt immer gut. Mission erfüllt.

Sind die zuvor geschilderten Varianten nicht von Erfolg gekrönt, gehe ich in die Offensive, der klassische PR-Beitrag wird verhandelt. Fast jede Publikation arbeitet heutzutage mit sogenannten Verlagssonderveröffentlichungen, Themen- und Sonderseiten, die mitunter vom klassisch redaktionellen Teil kaum zu unterscheiden sind. Mit dieser "Redaktion" kläre ich die Rahmenbedingungen und alle sonstigen Modalitäten. Hier ist der Auftritt ein anderer, weil klar ist: Kostenfrei läuft hier nichts.

Mit dem PR-Material, das schon bei der ein oder anderen echten Redaktion sehr hilfreich war, gestalte ich nun passgenau unsere Präsentation in der Sonderveröffentlichung. Damit es nicht so ganz werblich rüberkommt, regiert auch hier dezente Zurückhaltung. Sonderveröffentlichung erschienen - Mission erfüllt.

Mit meiner Kreativität in Sachen Projekt-Propaganda bin ich aber längst noch nicht am Ende. Wie es der Zufall will, bin ich, der freiberufliche PR-Mann, an einem kleinen Verlag beteiligt, der verschiedene Publikationen herausgibt. Diese wiederum bedienen ein gewisses Zielgruppen-Spektrum, in dem es für mein kleines, sympathisches Projekt interessant sein könnte zu erscheinen. Natürlich werden die Impulse des Verlagsmitinhabers von der entsprechenden Magazinredaktion dankbar aufgenommen. Kein Wunder, denn der PR-Stratege selbst ist die Redaktion. Spätestens ab hier wird es vollkommen absurd, nur weiß mein Auftraggeber natürlich nichts über diese "ménage à trois". Und im Grunde interessiert es ihn auch nicht, denn er will ja in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Und dafür sorge ich als sein PR-Mann schließlich.

In einem Magazin meines Verlages erscheinen nun hin und wieder journalistisch und grafisch gut aufgemachte Beiträge zu unserem Projekt, die ich quasi bei mir selbst in Auftrag gegeben habe. Mission erfüllt.

Und weil heutzutage alle Welt von "Crossmedia" redet, habe ich auch da noch was auf der Pfanne. Neben der Projektheimseite betreibe ich entweder selber ein Portal, auf dem ich all das veröffentliche, was ich mache und was ach so wichtig für die Allgemeinheit zu wissen ist, oder ich blogge in den entsprechenden Foren. Natürlich nicht nur schnöde Geschriebenes; Podcasting oder Videocasts gehören im Zeitalter des Web 2.0 zum selbstverständlichen Repertoire. Und wenn ich es nicht selber kann, plündere ich im Zweifelsfall die "Generation Praktikum" aus, die deutlich internetaffiner ist, als ich es jemals werde.

Schließlich bekomme ich eine Mail von Dr. Projektleiter. "In unserem Abschlussbericht ans Ministerium fehlt noch ein Kapitel zu unseren Marketingmaßnahmen. Könnten Sie …?" Und ob ich kann. Ich fasse kurz unsere sensationell erfolgreiche PR-Strategie mit all unseren fantastischen Multiplikatorenkontakten zusammen, suche alle Links im Netz, wo wir erschienen sind und im Zweifelsfall selber gebloggt, gepodcastet oder uns undercover selber beauftragt haben, gebe eine fundierte Übersicht über redaktionelle oder gekaufte PR-Beiträge und schicke sie an Dr. Projektleiter. Warum wir das alles machen? Unser Geldgeber braucht eine Legitimation, damit er weiterhin sein Bestes gibt. Fürs nächste Mal.

Die Frage, ob das Projekt für die teilnehmenden Zielgruppen und vor allem den Finanzier, so es sich um die öffentliche Hand und damit um uns alle handelt, wirklich sinnhaft und nachhaltig ist, findet nicht oder zwischen Tür und Angel statt - auch wenn wir uns bei unzähligen, von hoch dotierten Moderatoren begleiteten Projektreviews immer wieder gegenseitig versichern, an was für einem innovativen Spitzenprojekt wir arbeiten. Ein Teil der rituellen Handlungen des Spiels.

Nach Abgabe des Abschlussberichtes implodiert das hauptsächlich aus Freiberuflern bestehende Team schneller, als man gucken kann. Mission erfüllt.

Das nächste Projekt? Wird großartig!

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