Hiphop-Serie im ZDF: Die Welt hier unten

"Wholetrain" handelt von Schönheit und Scheitern des Versuchs, aus engen Verhältnissen auszubrechen. Der Film über vier Jungs, die Graffiti sprühen, eröffnet die Hiphop-Reihe im ZDF.

Regisseur Florian Gaag war selbst einmal Teil der Graffiti-Szene. Bild: Pavel Przestrzelski/ZDF

Es ist sehr schwer, in einem Film über Jugendkulturen den richtigen Ton zu treffen. Ganz grundsätzlich. Wer immer es versucht, hat dieses Problem. Jugendsprachen sind flüchtig, wer immer sie nachzubauen versucht, setzt sich der Gefahr der Lächerlichkeit aus. Zumal in deutschen Filmen, deren Stärken, wenn sie denn welche haben, nur äußerst selten in ihren Dialogen liegen.

Dass Florian Gaag, der Regisseur und Drehbuchautor des Films "Wholetrain", der in der Graffiti-Szene spielt, den richtigen Ton getroffen hat, liegt vielleicht daran, dass er selbst einmal Teil dieser Szene war. Dabei reden die Protagonisten nicht einmal übermäßig viel. Aber in den sich ewig wiederholenden "Alter, was ist mit dir los, Mann?"-Sequenzen treffen Gaag und seine Schauspieler ganz wunderbar diesen Ton postpubertärer Übermännlichkeit, der Hiphop, dieses große Selbstbehauptungsdrama des heterosexuellen Unterschichtmannes, von jeher prägt.

"Wholetrain" ist Teil einer Serie von Spielfilmen und Dokumentationen, die sich mit Hiphop beschäftigen und die das ZDF zeigen wird. Er lief vor zwei Jahren schon einmal in ein paar deutschen Kinos.

Die Geschichte des Films ist rasch erzählt. Da gibt es eine Graffitiwriter-Crew, bestehend aus vier in ihrem Restleben relativ orientierungslosen Jugendlichen, die Ärger mit einer anderen Crew haben. Irgendjemand hat ein Piece des anderen übermalt, ein Zeichen groben Disrespects - und nun versuchen sie sich gegenseitig zu übertrumpfen. Jede Nacht ziehen sie los, brechen in S-Bahn-Depots ein und versuchen, Züge zu bemalen. Ziel: einen "Wholetrain" zu machen, also einen Zug komplett mit Graffiti zu bedecken. Natürlich geht das nicht gut.

Das ist die Geschichte, und wie in jedem guten Film geht es eigentlich um etwas anderes. Etwa um die alte Erzählung von Schönheit und Scheitern von Leuten, die Kunst als Weg aus den beengten Verhältnissen sehen, in denen sie leben. Der eine arbeitet im Dönerladen seines Vaters, der Zweite räumt im Kino Müll weg, der Dritte geht zur Schule, und David, Chef der Gang, wird wegen der Sprüherei zu einer hohen Geld- und Bewährungsstrafe verurteilt. Er weiß weder davor noch danach mit seinem Leben etwas anderes anzufangen als das, was er eben am besten kann: Graffiti sprühen.

Diese Verhältnisse sind ja nicht nur im übertragenen Sinn beengt, sondern ganz real. Wunderbar, wie sich die vier immer wieder durch die grandiose Tristesse der endlosen Korridore der U-Bahn-Stationen bewegen. Ihre ewigen Scharmützel mit den Bahnsteigpolizisten austragen. Wie sie um Territorium und Anerkennung kämpfen. Manchmal denkt man sich: Mann, geht doch mal an die Luft, da laufen auch keine Polizisten herum, die euch erkennen. Aber genau davon handelt dieser Film: dass dieser Gedanke in den Köpfen seiner Protagonisten nicht vorgesehen ist. Dass sie den beengten Verhältnissen eben nicht entkommen, sondern sie nur immer neu vermessen und markieren. Am Ende lässt David, der begabteste der Sprüher, den Termin mit dem Kunstprofessor platzen, um weiter zu sprühen.

Was den Weg in die Welt findet, und auch da ist der Film gut konstruiert, ist die Kunst, nicht die Künstler. Die bemalten Wagen jedenfalls sieht man in langen beeindruckenden Einstellungen durch die Stadt fahren.

"Wholetrain" läuft am 6.10. um 0.25 Uhr im ZDF. Weitere Filme der Reihe "Hip Hop Don't Stop!" sind: 13.10., 0.40 Uhr: "Wild Style". 20.10., 0 Uhr: "Here we come". 27.10., ab 0 Uhr: "Love, Beat and Beatbox", "Lost in Music - Hip Hop Hooray"

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.