SPD-Kandidat gegen "Bild"-Chef: Verbalkrieg der Intimfeinde

"Bild"-Chef Kai Diekmann ein Betonschrift-Denker? "Zeit"-Herausgeber und SPD-Politiker Michael Naumann verreißt dessen Buch "Der große Selbstbetrug" - im Beisein des Autors.

Populismus, Pseudorethorik: Michael Naumann (r.) fand klare Wort für Diekmanns Pubilkation. Bild: ap

Wenn ein Zeit-Mitherausgeber das neue Buch eines Bild-Chefredakteurs vorstellt, ließe sich sich das unter normalen Umständen unter dem herkömmlichen journalistischen Inzest verbuchen, der doch so allerlei merkwürdige Kombinationen hervorbringt, aber an sich nicht weiter der Rede wert ist.

Bei Michael Naumann und Kai Diekmann ist das anders. Denn Naumann ist nicht nur Kollege, sondern auch immer mal wieder Politiker und einer der Intimfeinde des Bild-Chefs, seit er einst das Boulevardblatt als "Geschlechtsteil der deutschen Massenmedien" bezeichnete. Diekmann widerum lässt Naumann seit dessen Kür zum SPD-Spitzenkandidat in Hamburg in seinem Blatt nahezu unerwähnt.

Es lag also nicht allzu fern, in Naumanns Buchvorstellung von Diekmanns Gutmenschen-Abrechnung "Der große Selbstbetrug" am Montag eine Art Waffenstillstand zu vermuten, einen Nichtangriffspakt zum Vorteil beider, der objektive Berichterstattung eintauscht gegen ein Stück Nähe zur Macht.

Es kam anders. Nur weil der Anstand es gebot, gingen sie im Edel-Italiener "Sale e Tabacchi" im taz-Haus nicht mit Fäusten aufeinander los. Dafür führten sie einen Verbalkrieg, der Annäherungen unmöglich machte. Diekmann, sonnengebräunt in lachsfarbenem Hemd und Nadelstreifen, machte mit einem Best-Of-Kapitel seines Buches den Anfang. Sein Hassobjekt: die 68er. Politisch seien diese "komplett gescheitert", ästhetisch eine Kombination aus "Flohmarkt und Einzelzelle", moralisch stünde die Generation "für Versagen". Und heutzutage, fügte er in Richtung Naumann hinzu, beobachteten die Alt-Achtundsechziger "aus der toskanischen Ferne das Elend, das sie angerichtet haben".

Nun war Naumann an der Reihe. Gnadenlos diagnostizierte er in Diekmanns Buch einen Populismus bis an die Grenzen der Lächerlichkeit mit einem typischen Feindbild, "diffus, überall und nirgends". Von Recherche könne keine Rede sein, die Kapitel erschöpften sich in "Pseudorhetorik". Chamäleonartig wechsele der Autor Perspektiven und Argumentationen, um nur irgendwie seine Staatsfeindschaft untermauern zu können. Wenn dabei selbst die Demokratie zur "Beute der Parteien" werde, zeige das nur die unter Bild-Chefredakteuren verbreitete, geradezu "typographische Art zu denken: "in Betonschrift."

Wie effektiv Naumann Diekmanns Rambo-Thesen konterte, zeigte sich allein schon daran, dass Bild-Kolumnist Franz-Josef-Wagner nach einer Viertelstunde einen seiner üblichen Tobsuchtsanfälle bekam. Dann war Schluss. Ein gezwungenes Händeschütteln, auf Nachfrage überreicht Naumann noch sein Manuskript: "Könnse haben, bitte sehr." Im kleinen Kreis sagt Diekmann später, er bereue nicht, Naumann eingeladen zu haben: "Aber auf einen Deal war der nicht aus". Besser konnte man es wohl nicht ausdrücken.

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