Streit ums Bundestags-TV: Piratensender auf Steuerzahlerkosten

Der deutsche Bundestag hat bereits seit 1999 einen eigenen Fernsehsender. Nun wurde die Verschlüsselung aufgehoben. Medienwächter gehen auf die Barrikaden.

Aus dem Bundestag in die Röhre: Darf der Staat Rundfunk machen? Bild: dapd

Eigentlich ist es schade, dass nicht ganz so viele BundesbürgerInnen ihre Fernsehschüssel auf den Satelliten Astra 3B 23,5 Grad Ost ausgerichtet haben. Denn dort ist mittlerweile unverschlüsselt zu besichtigen, was alles im Deutschen Bundestag steckt. Norbert Lammerts Parlaments-TV nämlich.

Das sendet schon seit 1999, unter anderem auch da, wo das Berliner Fernsehkabelnetz digital ausgebaut ist. Und eben über den erwähnten Satelliten, der allerdings weniger die Bundesrepublik als vielmehr die Benelux-Staaten und Osteuropa bestrahlt. Laut der zuständigen und die Aufsicht über den Kanal führenden Medienanstalt Berlin Brandenburg (MABB) ist das Programmkonzept recht simpel: Das "Bundestagsfernsehen" versteht sich als "Parlamentarischer Dokumentationskanal", der "Informationsfilme über die parlamentarische Arbeit" und auch "Interviews und Diskussionen mit Abgeordneten" bringt.

Doch hoppla: Tut das alles nicht auch Phoenix, der Ereigniskanal von ARD und ZDF? Und was hat es damit auf sich: Die Produktionen des Bundestags-TV würden "ausschließlich im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Bundestages hergestellt"?

Gefragt hatte man sich das immer schon einmal. Bundstagspräsident Norbert Lammert (CDU) ist zwar formal nur zweiter Mann im Staate, aber im Gegensatz zum Bundespräsidenten eben mit einem eigenen Fernsehkanal gesegnet. Und hatte in den vergangenen Jahren immer wieder mal mit TV-technischen Alleingängen gedroht, wenn das Parlament und seine Arbeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu kurz kam. Gestört hat das die wenigsten, doch weil jetzt die bislang bestehende Verschlüsselung des Signals von Bundestags-TV aufgehoben wurde, kommt plötzlich Schwung in die Sache.

Man habe Bundestags-TV schon immer kritisch gesehen, sagt der Chef von Nordrhein-Westfalens Landesmedienanstalt (LfM NRW), Jürgen Brautmeier. Die Parlamentsverwaltung habe aber argumentiert, man veranstalte das Programm ja nur verschlüsselt für Journalisten und Diplomaten, weil der Reichstag und die verschiedenen Dienstgebäude des Bundestags in Berlin ganz schön weit auseinanderlägen. "Doch mit der Ausweitung des Angebots auf Diskussionen und Interviews plus Wegfall der Verschlüsselung sagen wir: Das ist jetzt Rundfunk", so der LfM-Chef. Und der brauche zunächst mal eine formale Lizenz - die Bundestags-TV gar nicht hat und laut Brautmeier auch nicht bekommen dürfte: "Aus guten Gründen darf der Staat keinen Rundfunk machen."

Nun prüfen die Juristen im Arbeitskreis Recht der Landesmedienanstalten, ob Parlamentspräsident Lammert hier de facto einen nicht gerade staatsfernen Piratensender betreibt, und das auch noch auf Steuerzahlerkosten. "Das müssen wir so schnell wie möglich diskutieren", bekräftigt Brautmeier. Bei der zuständigen MABB in Berlin weilt deren Direktor Hans Hege allerdings noch im Urlaub.

Und nicht nur die Privatfunkaufseher, auch die Öffentlich-Rechten sind sauer, was ZDF-Intendant Markus Schächter den Parlamentschef deutlich wissen ließ. Doch den lässt die ganze Aufregung kalt. "Ihre Reaktion ist völlig unverständlich", heißt es in einem Schreiben Lammerts an Schächter, das der taz vorliegt. Man könne aber "fast den Eindruck gewinnen, dass Sie auf die erste sich bietende Gelegenheit gewartet haben, sich von Parlamentsübertragungen zu verabschieden", retourkutscht der Bundestagspräsident zurück.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.