Gericht weist Klagen ab: Sieg für "Contergan"-Film

Einer der bizarrsten Rechtsstreits deutscher TV-Geschichte geht zu Ende: Das Hamburger Landgericht wies noch anhängige Klagen gegen das Film-Drama "Contergan" ab.

Darf weiter gezeigt werden: Film "Contergan - Eine einzige Tablette" Bild: WDR

Der WDR-Film "Contergan - Eine einzige Tablette" darf weiter gezeigt werden. Gestern wies das Landgericht Hamburg je zwei Klagen der ehemaligen Contergan-Herstellerfirma Grünenthal und des Anwalts Karl-Hermann Schulte-Hillen gegen den Film zurück. Damit geht einer der bizarreren Rechtsstreits in der deutschen TV-Geschichte seinem Ende entgegen.

Der mittlerweile vielfach preisgekrönte Zweiteiler konnte Anfang November 2007 zwar nach einer Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der ARD laufen, das Hauptverfahren zum Thema Filmverbot lief aber weiter. Grünenthal wie der Opferanwalt Schulte-Hillen, der den Contergan-Prozess ins Rollen brachte und an dessen Leben sich der Film anlehnt, hatten in mehreren Verfahren geklagt, um die Ausstrahlung zu verhindern. Ihre Begründung: Der Film sei zu wenig fiktional und zu dokumentarisch. Schulte-Hillen, selbst Vater eines geschädigten Sohnes, hatte ab 1968 als Kläger im Prozess gegen den Pharmakonzern gefochten, sah aber jetzt durch den Film seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Das Schlafmittel Contergan war 1961 vom Markt genommen worden, nachdem tausende Mütter missgebildete Babys geboren hatten.

Die Pressekammer des Hamburger Landgerichts, die im Juli 2006 noch den Anträgen von Grünenthal und Schulte-Hillen stattgab und die Ausstrahlung des Filmes untersagte, vollzieht mit diesem Urteil auch eine gewisse Kehrtwende zugunsten der Kunst- und Medienfreiheit: Da mit einem zusätzlichen Vor- und Nachspann, so die Begründung, der "fiktive Gehalt des Films deutlicher hervorgehoben worden sei", komme "dem Persönlichkeitsschutz der Klägerseite geringeres Gewicht zu", so das Gericht. Zudem sei auf Drehbuchszenen, die im vorherigen Urteil vom Gericht "als besonders schwerwiegende Verletzungen des Persönlichkeitsrechts" bewertet wurden, mittlerweile freiwillig verzichtet worden.

Die Macher des Films, der WDR und die Produktionsfirma Zeitprung, begrüßten gestern das Urteil. "Das ist ein Sieg auf der ganzen Linie", sagte Zeitsprung-Geschäftsführer Michael Souvignier. Drehbuchautor Benedikt Röskau widerspracht allerdings "vehement der Darstellung, dass sich die Kläger gegen das Drehbuch weitgehend durchgesetzt hätten". Es sei lediglich eine Szene durch Ergänzung verändert worden - "allein das reichte aber offenbar aus, um den Eindruck weitergehender Veränderungen zu erwecken", so Roskau. Grünenthal ärgerte das Urteil - denn aus Sicht des Familienunternehmens enthält der Film weiter "grobe historische Falschdarstellungen".

Doch das macht nun nichts mehr: Der Prozess um und die Ausstrahlung von "Contergan" lösten eine breite öffentliche Debatte. Ende Februar kündigte die Bundesregierung an, die bislang mickrigen Renten der Betroffenen deutlich zu erhöhen. Auch Grünenthal will freiwillig einen finanziellen Beitrag für die Verbesserung der Lebenssituation von Contergan-Opfern leisten und erklärte gestern, man werde "in naher Zukunft Einzelheiten bekannt geben".

Ob mit dem gestrigen Urteil auch die Vernunft obsiegt hat? Der Pharmakonzern wie Schulte-Hillen können noch in Berufung gehen. STEFFEN GRIMBERG

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.