Libanons Stimme Fayrouz: Das Wichtigste ist, dass sie singt

Fayrouz ist die große Dame des libanesischen Pop. Ihr neues Album ist im Land der kulturelle Höhepunkt des Jahres. Sie bleibt das wichtigste nationale Symbol des Libanons.

Fayrouz bei einem Auftritt in Beirut im Oktober 2010. Bild: dpa

Nuhad Haddad, bekannt unter dem Künstlernamen Fayrouz, hat arabische Musikgeschichte geschrieben. Die Sängerin, in Beirut in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen, begann ihre Karriere im libanesischen Rundfunk. Entscheidend für ihren künstlerischen Weg war die Zusammenarbeit mit den Rahbani-Brüdern Anfang der 50er Jahre.

Für sie komponierten die Brüder Melodien, die an libanesische Folklore angelehnt waren, adaptierten europäische Klassik oder lateinamerikanische Rhythmen. Der Durchbruch gelang dem Trio einige Jahre später. Ihre markante Stimme ist seit über 40 Jahren nicht mehr aus dem libanesischen Alltag wegzudenken.

Nationales Symbol

So waren Fayrouz neue Platte "Eh fi Amal" und ihre beiden Live-Auftritte im Oktober die kulturellen Höhepunkte des Jahres. Die Karten waren innerhalb weniger Tage ausverkauft, der CD-Vertrieb hatte Schwierigkeiten, der Kauflust der Fans nachzukommen. Und das, obwohl Fayrouz seit Monaten mit den Erben ihres Schwagers Mansour Rahbani in einem Rechtsstreit um die Verwertung des gesamten Repertoires liegt, das in ihrer Zeit mit den Brüdern Mansour und Assi Rahbani entstand. Ein Konzert von ihr wurde Mitte des Jahres aus diesem Grund abgesagt. Die CD und die Konzerte sind ein daher gelungener Coup der 75-jährigen Künstlerin.

Die Feuilletons der libanesischen und überregionalen arabischen Zeitungen aller politischen Schattierungen überhäuften "Eh fi Amal" mit Lob. Eine Musikkritikerin schrieb pathetisch: "Allein ihre Stimme hält uns lebendig inmitten der Ruinen eines scheinbaren Heimatlandes."

In einem Radiointerview sagte ihre Tochter Reema: "Es ist nicht wichtig, was Fayrouz singt, wichtig ist, dass sie überhaupt singt." Die Reaktionen auf die Konzerte und auf "Eh fi Amal" zeigen, dass Fayrouz als das wichtigste nationale Symbol des Libanon weiterlebt. Ihre Lieder aus verschiedenen Jahrzehnten werden in Bars im teuren Beiruter Ausgehviertel Gemayzeh gespielt, in Taxis oder in Imbissbuden im Hisbollah-Stadtteil. Fayrouz ist der gemeinsame Nenner aller Libanesen, unabhängig von Alter, konfessioneller oder politischer Ausrichtung.

Die Musikethnologin Ines Weinrich, die sich in ihrer Dissertation intensiv mit Fayrouz und den Brüdern Rahbani beschäftigt hat, sagt, dass Jüngere ihre Lieder wie mit der Muttermilch aufgenommen haben: "Die Angehörigen der älteren Generation, die vom Dorf in die Stadt gezogen sind, haben sich darin wiedergefunden, weil es vertraute Genres waren. Was man aus der libanesischen Volksmusik kannte, wurde mit dem Rhythmus des Stadtlebens aufgepeppt. Es war schnell, flott und international kompatibel."

Politisch enthaltsam

Fayrouz Stimme gibt Jung und Alt eine emotionale Heimat. Entscheidend für ihre Popularität war auch, dass sie und die Brüder Rahbani sich vor und während des Bürgerkriegs jeder politischen Parteinahme enthielten. Auch die spätere Zusammenarbeit mit Ziad, dem linken Künstler und bissigen Gesellschaftskritiker, tat ihrer Beliebtheit keinen Abbruch.

"Eh fi Amal" (Ja, es gibt Hoffnung) ist das Herzstück und der Titel des neuen Albums. Fayrouz besingt im libanesischen Dialekt eine vergangene Liebe und eine im Streit auseinandergegangene Beziehung. Im Refrain sagt sie "Es gibt Hoffnung, ja, es gibt Hoffnung, aber sie entspringt manchmal der Langeweile, irgendeiner Sehnsucht, um Traurigkeit zu mildern." Die großen Gefühle sind Vergangenheit.

Es ist ein nachdenkliches, melancholisches Stück, das gut zur über die Jahre tiefer gewordenen Stimme von Fayrouz passt. An die besungene Hoffnung mag man nicht so richtig glauben. Sie wirkt wie ein letzter Strohhalm, um den Alltag zu bewältigen, um weiterleben zu können. Die Musik ist langsam, Streichinstrumente vermischen sich mit elektronischer Musik. Im Hintergrund gibt ein Klavier den Rhythmus vor.

Weitere Lieder auf der CD wie "Kbiril Mazha Hay" (Dieser große Witz) oder "Allah Kbir" (Gott ist groß), zu Jazzmusik gesungen, geben ähnliche Stimmungen wieder. In einem ihrer seltenen Interviews sagte Fayrouz, dass sie sich in jedem ihrer Lieder selbst wiederfindet. So kann man viel in diese Stücke hineininterpretieren: die Lebenserfahrungen einer reifen Frau, ihre persönliche Beziehung zu Assi Rahbani, mit dem sie auch privat verbunden war und von dem sie sich 1979 trennte, oder einfach diverse Gemütsstimmungen.

Im Alltag angekommen

Die Kompositionen und Liedtexte fast aller Stück auf "Eh fi Amal" stammen von Fayrouz Sohn Ziad Rahbani. Seit ihrer Trennung von Assi arbeitet die Sängerin künstlerisch mit Ziad zusammen. Mit Ziad hat sich ihr Image und ihr Repertoire gewandelt. Sie ist mit ihren Liedern im Alltag angekommen, lässt ambivalente Gefühle zu, die romantische Liebe scheint passé.

Ihr neuestes Album steht in dieser Tradition, geht aber nicht darüber hinaus. Es gibt nichts wirklich Neues zu entdecken, keine künstlerische Veränderung, weder bei Fayrouz noch bei Ziad. Aber das ist für die meisten Libanesen nebensächlich.

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