Getötete Migranten in Mexiko: Politisches Opfer eines Massakers

Die Chefin der Einwanderungsbehörde in Mexiko tritt zurück. Für Migranten gibt es zu wenig Schutz. Sie werden von Polizei und Drogenkartellen ausgeplündert und umgebracht.

Auf dieser Ranch in San Fernando wurden Ende August 72 Migranten umgebracht. Bild: dpa

Das Massaker an 72 Migranten auf einer Ranch im mexikanischen Bundesstaat Tamaulipas Ende August forderte jetzt sein erstes politisches Opfer: Am Dienstag trat die Leiterin der Nationalen Einwanderungsbehörde (INM), Cecilia Romero, von ihrem Posten zurück.

Romero zog damit die Konsequenzen aus den massiven Kritiken, die nach den Morden über den Umgang mit durchreisenden Migranten in Mexiko laut wurden. Auf dem Weg in die USA waren die aus Mittelamerika, Ecuador und Brasilien stammenden Menschen von Killern des Drogenkartells "Zetas" hingerichtet worden. Nach Angaben eines Überlebenden hatten sie sich geweigert, Lösegeld zu zahlen.

Die Morde hatten die brutalen Angriffe, die Migranten aus Zentral- und Südamerika auf ihrem Weg in den Norden ertragen müssen, auf die politische Agenda gesetzt. Wenn es um die Mexikaner in den USA gehe, fordere man die Einhaltung der Menschenrechte, erklärte etwa Jesús Murillo Karam von der ehemaligen Staatspartei PRI, "aber wenn wir uns anschauen, was in Mexiko mit Mittelamerikanern passiert, müssen wir feststellen, dass wir schlimmer sind als die, die wir kritisieren."

Die Migrantinnen und Migranten sind auf ihrer Reise zahlreichen Gefahren ausgesetzt. Da sie meist keine Aufenthaltserlaubnis haben, werden sie als "Illegale" von den Beamten der Einwanderungsbehörden verfolgt und regelmäßig wieder abgeschoben. Um dennoch von der guatemaltekischen Grenze in den Norden zu kommen, riskieren sie gefährliche Fahrten auf Güterzügen.

Auf dieser Reise werden sie dann häufig von Jugendbanden oder Angehörigen der Drogenmafia ausgeraubt, vergewaltigt, entführt, gefoltert, erpresst oder gezwungen, für die Gruppen zu arbeiten. In vielen Bundesstaaten wie Chiapas, Tabasco, Veracruz oder Tamaulipas verfügen die Kartelle über geheime sichere Häuser, in denen sie ihre Opfer gefangen halten. Frauen werden gezwungen, sich zu prostituieren.

Allein im vergangenen Jahr sind nach Angaben der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (CIDH) fast 18.000 Migranten entführt worden. "Wer nicht zahlen kann, wird ermordet", erklärt Mario Santiago von der Organisation Fundación I(dh)eas aus dem südmexikanischen Tapachula. Häufig werden die Entführten gezwungen, Lösegeld von Verwandten in den USA anzufordern.

Nichtregierungsorganisationen gehen davon aus, dass allein die Zetas auf diese Weise in den letzten vier Jahren 50 Millionen US-Dollar erpresst haben. "Aber das Schlimmste ist, dass in den meisten Fällen nicht ermittelt und nicht strafrechtlich verfolgt wird", kritisiert Santiago. Der Grund: Migrationsbehörden, Polizisten und die Drogenmafia arbeiten häufig eng zusammen. Nachdem Menschenrechtsorganisationen diese enge Kooperation angeklagt hatten, verpflichtete sich der mexikanische Staat im Juli, Migranten auf ihrer Reise gen Norden zu schützen. Einen Monat später wurden die 72 Migranten in Tamaulipas ermordet.

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