Wahlen in Afghanistan: Karsai sieht sich als Sieger

Die Hinweise auf Manipulationen häufen sich. Dennoch betonen die anderen Kandidaten, dass sie das Ergebnis akzeptieren werden.

Karsai geht davon aus, dass er den Präsidentenpalast nicht räumen muss. Bild: dpa

Gespannte Ruhe liegt über Kabul, seit am Wochenende klarwurde, dass es bei den Präsidentschaftswahlen in Afghanistan in der vergangene Woche nicht nur zu erheblichem Betrug gekommen ist, sondern dass auch zwei Kandidaten den Sieg für sich reklamieren. Sowohl Amtsinhaber Hamid Karsai als auch Herausforderer Abdullah Abdullah behauptete am Freitag von sich, er hätte die Wahlen gewonnen. Allerdings tat die "Unabhängige Wahlkommission" (IEC) dies als reine Spekulationen ab und will erst am Dienstag erste Ergebnisse bekannt geben. Einfach werden die kommenden Wochen auch dann nicht, wenn Gewaltausbrüche auf den Straße vermieden werden können.

Im Umfeld Karsais ist man sich sicher, dass dem Amtsinhaber der Sieg nicht zu nehmen ist. Wie die taz von einem engen Mitarbeiter des Präsidenten erfuhr, sind alle Stimmen bereits ausgezählt. Danach hat Karsai in den größten Städten des Landes - Kabul, Herat und Dschalalabad - mehr als 60 Prozent der Stimmen eingefahren. Zudem hätten diesmal große Teile der usbekischen und hazarischen Minderheit für Karsai gestimmt.

Laut ersten, am Samstagabend zirkulierenden inoffiziellen Resultaten liegt Karsai nach Auszählung von 4,5 Millionen Stimmen bei 71 und Abdullah bei 23 Prozent. Karsais Team ist sich deshalb sicher, dass der Präsident selbst dann im Amt bleiben würde, wenn jene Distrikte im Süden aus dem Ergebnis herausgerechnet würden, in denen es offenbar zu besonders umfänglichem Betrug gekommen ist.

Wie Martine van Bijlert vom unabhängigen Afghanistan Analysts Network berichtet, beziffert die Wahlkommission die Beteiligung in südlichen Provinzen wie Kandahar auf 60 Prozent, was jedoch "nichts mit den Beobachtungen vor Ort" zu tun habe. Laut unabhängigen Beobachtern sind dort höchstens 5 bis 15 Prozent der Menschen zur Wahl gegangen. Mehrere Beobachter behaupten, der Chef der Grenzpolizei in Spin Boldak habe die Wahlurnen mit nach Hause genommen und zugunsten Karsais manipuliert.

Aus der Provinz Ghazni berichtet van Bijlert unter Berufung auf einen Informanten, die Wahlen hätten "im Haus des Gouverneurs" stattgefunden. Dort sei beschlossen worden, dass Karsai 250.000 von 340.000 angenommenen Stimmen gewinnen werde. Die Mitarbeiter des Gouverneurs seien am Wochenende noch dabei gewesen, die Urnen entsprechend zu präparieren. Auch der Kandidat Mirwais Yassini sprach von Betrug und präsentierte am Samstag zerrissene Stimmzettel. Seine Anhänger hätten die für ihn abgegebenen Stimmen nahe der Stadt Spin Boldak gefunden.

Selbst in Kabul ist es offenbart zu Manipulationen gekommen. Zwei Reporter der britischen Zeitung Times beobachteten, dass im Stadtteil Pul-e-Charki bereits um 8 Uhr morgens am Wahltag mehr als 5.000 Stimmzettel in der Wahlurne lagen, obwohl weit und breit keine Wähler zu sehen waren. Die Wahlkommission hat inzwischen auch auf eine Beschwerde Abdullahs hin ein Untersuchungsverfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob der lokale Warlord Haji Janat Gul 70.000 Stimmen zugunsten Karsais manipuliert hat.

Zumindest eine Befürchtung der Menschen in Kabul scheint derzeit eher unbegründet zu sein: dass es auf den Straßen Gewaltakte geben könnte. "Wir sind Demokraten und werden das Ergebnis der Wahl akzeptieren, auch wenn Karsai gewinnt", sagte Abdullahs Stellvertreter Homayoun Shah Assefy der taz.

Weder er noch Abdullah hätten jedoch die Absicht, an einer Regierung Karsai mitzuwirken. In den letzen Tagen war immer wieder gemutmaßt worden, Karsai könnte seine beiden Gegner Abdullah und Ashraf Ghani in sein Kabinett einbeziehen. "Die Regierung von Karsai ist durch und durch korrupt, und wir sehen keinen Grund, ihr beizutreten", sagt Assefy dazu. Ähnlich hatte sich schon der Kandidat Gahni geäußert. Allerdings würden sie sämtliche Betrugsfälle dokumentieren und der Beschwerdekommission mitteilen.

Auch wenn in den vergangenen Tagen aus internationalen Kreisen eher beschwichtigende Töne zu den Wahlen in Afghanistan zu vernehmen waren, für Martine van Bijert ist klar: Wenn nicht alle Betrugsvorwürfe gründlich untersucht werden, wäre die Botschaft dieser Wahl eindeutig: "Es gibt keine Regierung, es gibt kein Gesetz, und die internationale Gemeinschaft hat nichts dagegen."

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