Zusatzbeiträge der Kassen: Der Staat zahlt drauf

Durch die steuerlich absetzbaren Zusatzbeiträge wird dem Bund Geld entgehen. Dies führt dazu, dass Gut- und Geringverdiener noch stärker unterschiedlich belastet werden.

Für Versicherte mit Wahltarif gilt das Sonderkündigungsrecht nicht. Bild: ap

Die umstrittenen Zusatzbeiträge der Krankenkassen treffen auch Hartz-IV-Empfänger. Einzelne Medien hatten angedeutet, der Bund prüfe eine generelle Übernahme der Extrabeiträge für sie. Dass aber hat das Bundesarbeitsministerium nicht bestätigt. Zwar gibt es Härtefallregeln. Grundsätzlich müssten Langzeitarbeitslose aber die Kasse wechseln, um der Zahlung von Zusatzbeiträgen zu entgehen, so das Ministerium.

Aber gibt es überhaupt Kassen, zu denen sich ein Wechsel finanziell lohnt? Die Vorstände von DAK, Deutscher BKK und anderer Kassen, die letzte Woche Zusatzbeiträge ankündigten, wollen diesen Eindruck offenbar vermeiden. Wie die taz berichtete, boten sie als Ratgeber Wolfram-Arnim Candidus auf, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten. Er empfahl: "Bitte nicht ad hoc die Kasse wechseln, sondern bleiben, wo Sie sind." In anderen Kassen könnten spätere Zusatzbeiträge höher ausfallen.

Die Empfehlung unterschlägt: Wechselt man seine Krankenkasse, bleibt man nicht an die neue gebunden, wenn auch die einen Zusatzbeitrag einführen will. Werden Zusatzbeiträge neu beschlossen oder erhöht, gelte immer ein Sonderkündigungsrecht, sagt Sabine Baierl-Johna von der Stiftung Warentest. Auch sie rät allerdings nicht zum überstürzten Wechsel: Versicherte sollten auch abwägen, wie zufrieden sie mit Service und Gesundheitsprogrammen ihrer Kasse sind.

Die meisten Kassen wollen acht Euro monatlich verlangen. Wem das zu viel ist, der könne sein Sonderkündigungsrecht nutzen, bis der Zusatzbeitrag zum ersten Mal fällig wird, betont Baierl-Johann. Mindestens einen Monat vorher müsse die Kasse über einen Aufschlag informieren.

Wer länger als 18 Monate Mitglied seiner Kasse ist, muss sich um all das nicht kümmern. Er darf jederzeit regulär wechseln. Gekniffen sind allerdings Versicherte, die sich mit einem Wahltarif länger an ihre Kasse gebunden haben. Für sie gilt selbst das Sonderkündigungsrecht nicht. Dieses Problem haben etwa Selbstständige mit einem Wahltarif für Krankengeld vor der 7. Woche. Rund 50 Kassen haben der Zeitschrift Finanztest bisher versichert, sie würden im gesamten Jahr 2010 keine Zusatzbeiträge erheben. Es gibt also Wechselspielraum.

Jenseits des privaten Geldbeutels gilt: Die Zusatzbeiträge bringen den Kassen nicht nur Geld - sie verursachen auch Kosten. Der Ersatzkassenverband rechnet mit rund fünf Euro pro Jahr und Mitglied, wenn eine Kasse Zusatzbeiträge bis acht Euro erhebt. Eine Beispielrechnung: Behält die DAK ihre rund 4,8 Millionen Mitglieder und nimmt von diesen acht Euro, brächte ihr das in 12 Monaten rund 460,8 Millionen Euro ein. Gleichzeitig entstünden rund 24 Millionen Euro Verwaltungskosten.

Wie viel Geld der Staat durch Zusatzbeiträge verlieren könnte, mochte das Bundesfinanzministerium bislang nicht beziffern. Klar ist, dass die Extrazahlungen von der Steuer abgesetzt werden können. Dadurch wird die ungleiche Belastung von Gut- und Geringverdienern verschärft. "Wenn ich viele Steuern zahle, wirkt sich jeder Euro, den ich absetzen kann, stärker aus", erklärt Carsten Rothbart vom Deutschen Steuerberaterverband.

Für die Zusatzbeiträge hat Rothbart folgenden Effekt überschlagen: Ein lediger Steuerzahler mit einem Jahreseinkommen von 50.000 Euro bekäme für 96 Euro Zusatzbeitrag pro Jahr etwa 13 Euro mehr vom Finanzamt zurück als ein Lediger mit 20.000 Euro Einkommen. Wer so wenig verdient, dass er keine Steuern bezahlt, oder wer Hartz IV bezieht, bekommt nichts für Zusatzbeiträge zurück.

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