Billig-Praktikanten für Wahlkampf: Für 80 Euro pro Woche bei der SPD

Die SPD setzt sich in der Öffentlichkeit gern für die Rechte von Praktikanten ein. Für die bevorstehenden Wahlkämpfe sucht sie nun selbst welche - und zahlt kaum etwas.

"Praktika nach den Richtlinien des Landes": Homepage von Björn Böhning. Bild: Screenshot www.bjoern-boehning.de

BERLIN taz | Die SPD präsentiert sich in der Öffentlichkeit häufig als Anwältin der Praktikanten und Kämpferin für deren Rechte. Doch in den bevorstehenden Europa- und Bundestagswahlkämpfen wollen ihre Jugendorganisation Jusos und SPD-Linken-Sprecher Björn Böhning selbst Studenten als Praktikanten zum Stimmenfang einsetzen - und für diese "Vollzeit"-Arbeit lediglich 80 Euro pro Woche zahlen. Das geht aus Ausschreibungen auf einer Internet-Praktikumsbörse und der Internetseite Böhnings hervor.

Die Berliner Jusos buhlen in ihrer Annonce um Studenten für Online- und Straßenwahlkampf vor der Europawahl. Die Jugendorganisation wolle einen "Beitrag für linke Mehrheiten im Europaparlament" leisten, um "die konservative Mehrheit zu brechen". Zahlen will sie für sechswöchige Arbeit aber nur 480 Euro.

Auch Björn Böhning, Ex-Juso-Chef, derzeit in der Senatskanzlei des Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit beschäftigt und Bewerber für ein Bundestagsmandat in Berlin, sucht "zur Unterstützung seines Wahlkampfteams" für drei Monate einen Praktikanten oder eine Praktikantin mit "politischen Grundkenntnissen", "Kommunikationsgeschick" und Führerschein. Lohn: 80 Euro pro Woche.

Andere Parteien schütteln über solche Praktikumsangebote den Kopf: "Das ist ein bisschen wenig", sagt der Berliner Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann. "Sonst fordert die SPD immer mehr Gerechtigkeit, aber im eigenen Haus lässt sie das schleifen."

Die arbeitsmarktpolitische Berliner Grünen-Sprecherin Ramona Pop moniert: "Grundsätzlich wird man im Wahlkampf eher für einfache Tätigkeiten abgestellt und weniger zu solchen, bei denen man wirklich etwas lernt", sagt sie. "Wenn die SPD also Praktikanten dazu einsetzt, um Stände aufzubauen und Luftballons aufzupusten, ist das nicht im Sinne eines Praktikums."

Auch der Koalitionspartner der Berliner SPD ist nicht begeistert: "Das ist keine besonders gute Praktikumsbezahlung", kritisiert Klaus Lederer, Berliner Landeschef der Partei Die Linke. "Ich bin ein Mindestlohnfan." In dieselbe Kerbe haut die CDU: Die Vergütung der Wahlkampf-Praktika zeige, wie ernsthaft Forderungen der SPD nach einem Mindestlohn seien, spottet CDU-Sozialsprecher Gregor Hoffmann.

Die SPD konterkariere mit ihrem Verhalten zudem ihre eigenen Europawahl-Plakate (Slogan: "Dumpinglöhne würden CDU wählen"), sagt Hoffmann. "Wer so groß auf den Putz haut und so handelt, der muss sich fragen, wie glaubwürdig er ist."

Die Berliner SPD sieht sich zu Unrecht in der Kritik. Sie könne ihre eigene Praktikumspolitik "wunderbar vertreten", sagt Sprecher Hannes Hönemann. Nie würden Praktikanten länger als drei Monate beschäftigt. Jeder werde gut betreut. Praktikanten seien stets Studenten und keine Studienabsolventen. Jeder erhalte einen Vertrag und ein Zeugnis.

Die Bezahlung richte sich nach den Vorgaben der DGB-Jugend, wonach der Lohn "300 Euro pro Monat nicht unterschreiten sollte". Dass die SPD-Praktis auch mal Plakate kleben, sei möglich, räumt Hönemann ein. Aber "dafür haben wir nicht ausgeschrieben". Björn Böhning ließ durch einen Sprecher lediglich mitteilen: "Die Praktika – es handelt sich nicht um Beschäftigungsverhältnisse – werden nach den Richtlinien des Landes Berlin vergeben."

Böhning hatte sich - wie die SPD - politisch immer wieder für eine Besserstellung von Praktikanten eingesetzt. "Die Ausbeutung von Praktikanten durch einige Unternehmen kann nicht hingenommen werden", forderte er etwa 2006. Auch SPD-Arbeitsminister Olaf Scholz ist für Sätze bekannt wie: „Bei einem Praktikum muss es eine angemessene Vergütung geben." Das sagte er im März 2008. Im Dezember wurde bekannt, dass in seinem Ministerium jährlich rund 100 Praktikanten unentgeltlich arbeiten. THO

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