Von der Leyen akzeptiert Betreuungsgeld: Gluckengehalt soll Gesetz werden

Ministerin von der Leyen, Gegnerin eines Betreuungsgeldes, gibt nach: Ab 2013 sollen Eltern Geld erhalten, wenn sie ihre Kinder nicht in die Krippe geben. So steht es in ihrem Gesetzentwurf.

Trotz Gesetzentwurf kein Betreuungsgeld-Fan: Familienministerin Ursula von der Leyen Bild: dpa

BERLIN taz Ihre Kritiker werten es als Einknicken. Als vorschnelles Zugeständnis an die CSU. Ursula von der Leyen will im Dezember einen Gesetzesentwurf vorstellen, der eine umstrittene Forderung aufnimmt: Ab 2013 sollen Eltern Geld erhalten, die ihre Kinder zu Hause betreuen, statt sie in die Kita zu schicken.

Von der Leyen habe sich dem Druck der Traditionalisten gebeugt, sagt SPD-Familienpolitikerin Nicolette Kressl. Es hätten sich jene durchgesetzt, "die Frauen am liebsten am Herd sehen". Klar ist: Die Familienministerin hat sich nicht durchsetzen können. Zwar hat die CDU-Politikerin selbst das Betreuungsgeld als bildungspolitische "Katastrophe" bezeichnet. Dennoch wird ihr Entwurf nun den folgenden Satz enthalten: "Ab dem 1. August 2013 soll für diejenigen Eltern, die ihre Kinder von ein bis drei Jahren nicht in Einrichtungen betreuen lassen wollen oder können, eine monatliche Zahlung (z. B. Betreuungsgeld) eingeführt werden." Die Gegner nennen die Idee deshalb auch "Herdprämie" oder "Gluckengehalt".

Von der Leyen übernimmt, was der Koalitionsausschuss im Mai beschlossen hat. SPD und CDU einigten sich auf einen Deal: Die Kita-Kritiker stimmen zu, dass ab 2013 Einjährige einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz haben. Dafür wird auch ein Betreuungsgeld ins Gesetz geschrieben. So soll das konservative Lager in der Union befriedet werden - also jene oft älteren WählerInnen, die ihre Lebensentwürfe durch die Kita-Politik der Regierung entwertet sehen.

Dabei wären die Zeiten günstig, Argumente gegen die "Herdprämie" anzuführen. In Thüringen etwa lassen sich ihre Auswirkung studieren. Dort nämlich gibt es das Modell schon - in Form eines 2006 eingeführten "Erziehungsgelds". Kinder ab zwei Jahren haben einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz. Verzichten die Eltern auf das Angebot, erhalten sie 150 Euro monatlich. Zumindest die Zweijährigen gehen seither seltener in eine Krippe: Im März 2006 besuchten rund 80 Prozent dieser Altersgruppe eine Kita, im März 2007 waren es nur noch 73 Prozent. Kritiker bemängeln, dass das Geld den Versuch untergräbt, Kinder aus benachteiligten Familien zu helfen. "Das Betreuungsgeld ist vor allem für bildungsferne Eltern ein Anreiz, Kinder zu Hause zu betreuen", sagt etwa SPD-Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese. Die 150 Euro könnten gerade arme oder arbeitslose Eltern motivieren, ihr Kind daheim zu lassen.

Wie wichtig aber ein Kitabesuch für diese Kinder sein kann, untermauern die Daten der neuen World-Vision-Kinderstudie. Demnach fühlen sich nicht etwa die Kinder vernachlässigt, bei denen beide Eltern berufstätig sind. Über zu wenig Zuwendung klagen weit häufiger die Kinder arbeitsloser Eltern.

Auch auf Grundlage dieser Daten rückt nun eine Frage ins Zentrum: Wie realistisch es ist, dass das Betreuungsgeld auch wirklich eingeführt wird? Der Entwurf - so er denn überhaupt Gesetz wird - legt eine Richtung fest. Inwieweit er umgesetzt wird, obliegt dann einer künftigen Regierung. Dies ist zumindest die Interpretation, mit der das Familienministerium nun die Kritiker besänftigten will: Der Entwurf bedeute noch lange nicht, "dass das Betreuungsgeld auch wirklich kommt", sagte ein Sprecher der taz. Schließlich stehe im Nachsatz: "Näheres regelt ein Bundesgesetz" - dessen genaue Ausgestaltung erst zeitnah beschlossen werden kann.

Eine wichtige Frage ist nach von der Leyens Schwenk ungeklärt: ob sich der Staat eine Herdprämie überhaupt leisten kann. Woher das Geld stammen soll - über diesen Punkt schweigt sich auch die CSU aus.

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