Umstrittene Auftragsvergabe: Pharma-Prüfer wird überprüft

Peter Sawicki kämpft gegen Scheininnovationen der Pharmaindustrie. Nun gerät er selbst in die Kritik: Er soll unrechtmäßig Aufträge an das Institut seiner Ehefrau vergeben haben.

Auf einen Fehltritt Sawickis hat die Pharmalobby lange gewartet Bild: dpa

BERLIN taz Auf diesen Moment hat die Pharmalobby lange gewartet. Denn mit Peter Sawicki ist einer ihrer profiliertesten Gegner in die Kritik geraten. Ein Mann, der deshalb so erfolgreich ist, weil er mit nüchtern-wissenschaftlichen Analysen Scheininnovationen der Industrie entlarvt.

Der 50-jährige Mediziner Sawicki ist Leiter des Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), eine 2004 gegründete Einrichtung, die im Auftrag des Gesundheitsministeriums prüft, ob neue Medikamente und Therapieformen wirklich besser sind als die alten - oder nur die Bilanzen der Industrie aufbessern. Nun stehen Sawicki selbst die Prüfer ins Haus.

Seinem Institut wird vorgeworfen, Aufträge unrechtmäßig an ein Institut vergeben zu haben, an dem Sawickis Ehefrau beteiligt ist: das Institut für evidenzbasierte Medizin (DIeM) in Köln. Sawicki selbst hatte es mit seiner Frau und einem Kollegen 2002 gegründet, 2004 seine Arbeit dort aber beendet. In einem Bericht der Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, Marion Caspers-Merk (SPD), an den Gesundheitsausschuss des Bundestags ist nun die Rede von "Hinweisen auf nicht korrekte Handhabung des Vergabeverfahrens durch das IQWiG".

Als Konsequenz sollen alle Aufträge der letzten eineinhalb Jahre von externen Gutachtern überprüft werden und das Institut bei zukünftigen Aufträgen einen Notar als Aufpasser an die Seite bekommen, wie es in dem Papier heißt. Sawicki weist den Vorwurf der Vetternwirtschaft zurück. "Formal ist alles richtig gelaufen", sagte er der taz. "Niemand hat sich bereichert." Der Vorwurf, er habe seiner Frau Geld zuschanzen wollen, sei "absoluter Unsinn". Er ist überzeugt: Die externen Gutachter werden die Anschuldigungen aus der Welt schaffen.

Im Dienstvertrag von Sawicki ist festgelegt, dass Aufträge an das DIeM vom Vorstand genehmigt werden müssen, was im Januar 2005 ein Mal der Fall war. Ob es auch ungenehmigte Vergaben durch das IQWiG gegeben hat, gilt es nun zu klären. Im Fokus stehen Unteraufträge, die den Umweg über die Uni Graz an das Institut von Sawickis Ehefrau genommen haben. Sawicki ist der Meinung, dass es hier keiner Genehmigung bedurfte. "Im Nachhinein wäre es besser gewesen, dennoch den Vorstand zu fragen", sagte Sawicki. "Allein schon, um keine Angriffsfläche zu bieten."

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach vermutet hinter den Vorwürfen denn auch "eine Schmutzkampagne gegen Sawicki". Ähnlich sieht das auch der Beschuldigte selbst: "Das geht gegen mich."

Sawicki hat der Pharma-Industrie wenig Freude gemacht. Prominentestes Beispiel: Im vergangenen Jahr stellte sein Institut fest, dass die damals um 30 Prozent teureren künstlichen Insuline für Menschen mit Altersdiabetes keinen belegbaren Zusatznutzen gegenüber herkömmlichem Humaninsulin haben. Kurz darauf mussten die Krankenkassen die höheren Kosten nicht mehr tragen. Seitdem wirft der Verband forschender Arzneimittelhersteller dem Institut regelmäßig "Methodenwirrwarr" vor.

Auch die jetzigen Vorwürfe tauchten zuerst in einem dubiosen Branchenblatt auf, dem "Dienst für Gesellschaftspolitik". Dessen Chef Wolfgang Lange betreibt gleichzeitig ein PR-Unternehmen, das im Jahr 1998 Demonstranten gemietet hatte, um für die "Therapiefreiheit" zu demonstrieren - und damit gegen Einschnitte bei der Erstattung von Arzneimitteln. Die Aktion verschaffte der Agentur eine Rüge des Deutschen PR-Rats.

Kein Wunder also, dass gerade in diesem Branchenblatt nun "ein personelles wie strukturelles Säubern" des IQWiG gefordert wird. Ob an den Vorwürfen gegenüber Sawicki etwas dran ist, lässt sich bisher nicht sagen. "Für eine abschließende Bewertung", heißt es im Bericht des Gesundheitsministeriums, "bleibt das Ergebnis der externen Überprüfung der Vergabeverfahren abzuwarten".

Klar ist allerdings: Bereits jetzt wird am Stuhl des IQWiG-Institutsleiters gesägt. Für Lauterbach wäre ein Ausscheiden Sawickis eine Katastrophe. "Dann wäre das Institut erledigt", sagte er der taz. Und die Pharmaindustrie wäre einen gewichtigen Gegner los.

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