Hartz-IV-Debatte: Mehr Freude durch Kraft

Auch die SPD-Spitzenkandidatin in NRW, Hannelore Kraft, will Hartz-IV-Empfänger zu gemeinnütziger Arbeit heranziehen. Die FDP sieht sich kopiert. Die CDU kontert: An Rhein und Ruhr gibt's das schon.

Hartz-IV-Empfänger in der Hängematte und ohne Aussicht auf reguläre Arbeit? Hannelore Kraft (SPD) pfeift ihnen jetzt was. Bild: dpa

FRANKFURT/MAIN/DÜSSELDORF/BERLIN apd/dpa | Die von FDP-Chef Guido Westerwelle losgetretene Debatte über die mögliche Verpflichtung von Hartz-IV-Empfängern zu gemeinnütziger Arbeit hat die SPD doch nicht unbeeindruckt gelassen. Mitten in der heissen Phase des Wahlkampfs in Nordrhein-Westfalen hat sich die SPD-Spitzenkandidatin und Vizebundesvorsitzende der Partei, Hannelore Kraft, im Spiegel ebenfalls dafür ausgesprochen, Langzeitarbeitslose für gemeinnützige Tätigkeiten einzusetzen. CDU, FDP und Linke reagierten auf den Vorstoß mit scharfer Kritik. Derweil hält der Regierende Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit, in bestimmten Fällen auch Kürzungen der Sozialhilfe für sinnvoll.

Kraft sagte: "Wir müssen so schnell wie möglich einen gemeinwohl-orientierten Arbeitsmarkt aufbauen." Hartz-IV-Empfänger ohne Aussicht auf reguläre Arbeit sollten "die Chance bekommen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die Gesellschaft etwas zu leisten". "Diese Menschen können zum Beispiel in Altenheimen Senioren Bücher vorlesen, in Sportvereinen helfen oder Straßen sauber halten." Als Lohn für die langfristige Beschäftigung in gemeinnützigen Jobs reiche ein symbolischer Aufschlag auf die Hartz-IV-Sätze, der ohne Mehrkosten für den Staat realisierbar sei.

"Wir müssen endlich ehrlich sein: Rund ein Viertel unserer Langzeitarbeitslosen wird nie mehr einen regulären Job finden", wird Kraft zitiert. Diese Menschen bräuchten ein neues Angebot, das ihnen eine würdevolle Perspektive gebe.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner erklärte, Krafts Äußerungen entlarvten, dass die SPD die Sozialstaatsdebatte bisher als Wahlkampfpolemik instrumentalisiert habe. Mit den Äußerungen von Kraft gestehe die SPD erstmals ein, dass es im Sozialstaat einen Erneuerungsbedarf gebe.

NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) warf Kraft vor, sie kenne ihr eigenes Bundesland nicht. "Bereits heute arbeiten mehr als 70.000 Menschen in solchen Jobs", erklärte Laumann. Es sei unerträglich, "dass Frau Kraft einem Viertel der rund 570.000 Hartz-IV-Empfängern keine Chance mehr einräumt. Damit schreibt die SPD-Vorsitzende fast 150.000 Menschen in Nordrhein-Westfalen ab."

Der designierte NRW-CDU-Generalsekretär Andreas Krautscheid äußerte sich noch polemischer. Krafts Vorschläge seien "eine Kapitulationserklärung gegenüber allen arbeitsuchenden Menschen". Statt neue Ideen und Konzepte für eine bessere Integration in den ersten Arbeitsmarkt zu präsentieren, kopiere die NRW-SPD-Landesvorsitzende. "Bei Westerwelle müssen Hartz-IV-Empfänger Schnee schippen, bei Hannelore Kraft sollen sie im Frühling die Straße fegen."

Auch der Vizechef der Linkspartei, Klaus Ernst, kritisiert die Forderung von Kraft. Null-Euro-Jobs seien mit der Linken nicht machbar. Darauf werde seine Partei beharren.

Derweil sagte der Beriner Bürgermeister Wowereit der Welt am Sonntag, in bestimmten Milieus sei der Aufstiegswille verloren gegangen. "In einigen Familien sind Arbeitslosigkeit und Sozialhilfebedürftigkeit über Generationen zur Regel geworden", wird er zitiert. Ein Kind aus einer Familie, in der regelmäßige Arbeit nicht zum Alltag gehöre, sei schwer zu motivieren, sich selbst anzustrengen. "Das ist dann aber nicht die Schuld dieses Kindes. Hier müssen wir helfen", betonte der SPD-Politiker.

Den alleinstehenden, arbeitsfähigen jungen Mann, der nicht arbeiten wolle, müsse man "notfalls auch durch Kürzungen etwas beflügeln. Wo eine psychologische Hilfestellung notwendig ist, muss die geleistet werden. Wenn jemand durch Alkohol nicht in der Lage ist, muss ein Entzug und eine Therapie organisiert werden", forderte Wowereit.

Unterdessen berichtete der Spiegel, dass die SPD-Spitze die Basis an einer Korrektur von Hartz IV beteiligen wolle. Parteichef Sigmar Gabriel plane, den Mitgliedern in den nächsten Monaten die Gelegenheit zu geben, über die Reform zu debattieren und eigene Stellungnahmen vorzulegen. Einen endgültigen Beschluss wolle die Partei dann beim Parteitag im September fassen.

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