Prostitutionsverbot in Norwegen: Freier werden zu Kriminellen

Norwegen will dem schwedischen Vorbild folgen und plant, den Sexkauf im In- und Ausland strafbar machen.

Straßenprostitution soll verboten, die Freier bestraft werden. Bild: ap

STOCKHOLM taz Zehn Jahre nachdem ein derartiges Verbot in Schweden in Kraft trat, soll jetzt auch in Norwegen der Kauf sexueller Dienste kriminalisiert werden. Am Freitag legte die Regierung in Oslo dem Parlament einen entsprechenden Gesetzentwurf vor. Eine parlamentarische Mehrheit ist gesichert: Die rot-rot-grüne Koalition aus Sozialdemokraten, Linkspartei und Zentrumspartei ist sich mit Teilen der Opposition einig. Auch Gewerkschaften und Frauenverbände unterstützen das Gesetz. Bislang war in Norwegen nur Zuhälterei strafbar.

In einer jahrelangen kontroversen Debatte, die dem jetzigen Schritt vorausgegangen war, hatten vor allem die Erfahrungen, die im Nachbarland Schweden gemacht worden sind, eine zentrale Rolle gespielt. Dort war nach einem entsprechenden Verbot die Straßenprostitution zunächst deutlich zurückgegangen. Prostituierte bieten stattdessen ihre Dienste vermehrt im Internet an. Die wenigen Verurteilungen, die es gab, weichen den abschreckenden Effekt, den das Gesetz bei seinem Inkrafttreten gehabt hatte, aber immer mehr auf. Belastbare Studien, die insgesamt einen Rückgang der Prostitution beweisen würden, gibt es nicht.

Oslo hatte auch eine Studie in Auftrag gegeben, welche die Situation von Prostituierten in Schweden und in den Niederlanden verglich. Ein Ergebnis lautet: Schwedische Prostituierte fühlen sich unsicherer und erleben mehr Gewalt. Negativ wirkte sich aus, dass Kunden in Verfahren, in denen es um Menschenhandel ging, vor Gericht als Zeugen nicht zur Verfügung standen.

Der norwegische Justizminister Knut Storberget hatte sich deshalb auch dagegen ausgesprochen, dem schwedischen Beispiel zu folgen. Doch über praktische Bedenken siegte das Gleichstellungsargument: Prostitution sei eine Form der Ausbeutung und Unterdrückung, deren Bekämpfung Pflicht der Gesellschaft sei. Das Gesetz soll auch für den Sexkauf von NorwegerInnen im Ausland gelten. Der Strafrahmen entspricht dem schwedischen: Geldbuße oder Haft bis zu einem halben Jahr.

Liv Jessen, Leiterin der staatlich finanzierten Hilfsorganisation Pro Sentret hofft einerseits, dass "das neue Gesetz Prostituierte veranlassen könnte, abzuspringen". Andererseits befürchtet sie aber, dass das Leben für die im Gewerbe verbleibenden womöglich noch schwerer wird. Pion, die Interessenorganisation der Prostituierten in Norwegen, hält das Verbot für naiv: Prostitution werde damit nur von den Straßen in Bordelle und Wohnungen verlagert, die Situation für die Frauen eher unsicherer.

REINHARD WOLFF

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