Schmutziger Kampf bei Scotland Yard: Rassismus im Dienste der Königin

Großbritanniens ranghöchster muslimischer Polizist hatte seinen Chef als rassistisch bezeichnet. Er wurde suspendiert. Nach Morddrohungen bangt er jetzt um seine Sicherheit.

Ghaffur hat acht Jahre lang Beweise gegen seinen Chef gesammelt. Archiv- Bild: dpa

Wer den Boss als Rassisten beschimpft, muss mit Konsequenzen rechnen. Tarique Ghaffur, der in Uganda geborene ranghöchste muslimische Polizist Großbritanniens, ist vorgestern vom Dienst suspendiert worden. Er hatte Scotland-Yard-Chef Ian Blair Ende vorigen Monats in einer Pressekonferenz beschuldigt, ihn aufgrund seiner Herkunft, seiner Religion und seines Alters zu diskriminieren. Deshalb habe er gegen Blair vor dem Arbeitsgericht Klage eingereicht.

Der 53-Jährige, der acht Jahre lang Beweise gegen Blair gesammelt hat, war bisher für die Sicherheitsvorkehrungen bei den Olympischen Spielen 2012 in London zuständig. Seine Suspendierung erfolge im Interesse von Scotland Yard und der Londoner Bürger, sagte Blair: "Es ist doch klar, dass diese Situation negativen Einfluss auf das Sicherheitsprogramm für die Olympischen Spiele 2012 in London hat und das Vertrauen darin untergräbt. Das ist dem Interesse der Londoner nicht dienlich."

Ghaffur, der dritthöchste Polizist in Großbritannien, sagte, er habe nach seiner Pressekonferenz Morddrohungen erhalten, zum Teil aus den eigenen Reihen. Er fürchte um seine Sicherheit und die seiner Familie. Seine Anwälte haben ihm Leibwächter besorgt. Ghaffur hat die Polizei nicht über die Drohungen informiert, weil er nicht darauf vertrauen könne, dass sie ihn ausreichend beschütze, sagte er.

Alfred John, der Vorsitzende des Verbands schwarzer Polizisten, sagte, Ghaffurs Beschwerde sei kein Einzelfall. Scotland Yard habe eine lange Geschichte des Rassismus. Bereits 1981 wurde im Scarman-Bericht nach den Rassenunruhen in Brixton empfohlen, mehr schwarze Polizisten zu rekrutieren und rassistisches Verhalten bei der Polizei ausdrücklich unter Strafe zu stellen. Letzteres ist bis heute nicht geschehen. Der Anteil schwarzer Polizisten liegt bei acht Prozent. Eine öffentliche Untersuchung des Mordes an dem schwarzen Teenager Stephen Lawrence, der 1993 von weißen Jugendlichen in London erstochen worden war, kam zu dem Ergebnis, dass Scotland Yard institutionell rassistisch sei. Schwarze Bürger werden von der Polizei siebenmal häufiger auf der Straße durchsucht als ihre weißen Mitbürger.

Für Ian Blair kommen die Vorwürfe des Rassismus zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Kurz zuvor war durchgesickert, dass das Innenministerium erwägt, ihn bereits vor Ablauf seines Vertrages im Februar 2010 abzusetzen. Bei den unteren Polizeirängen ist Blair seit seinem Amtsantritt 2005 unbeliebt, weil er als Reformer 300 Millionen Pfund auf Kosten des Personals und der Ausrüstung einsparen sollte. Darüber hinaus wirft man ihm mangelnde Führungsqualitäten vor. Außerdem soll er einem seiner Freunde Aufträge im Wert von drei Millionen Pfund zugeschanzt haben.

Weit schwerer wiegt sein Verhalten nach der Erschießung des brasilianischen Elektrikers Jean Charles de Menezes, der 2005 im Zuge der Terrorfahndung in der Londoner U-Bahn durch sieben Kopfschüsse getötet worden war. Blair sprach noch davon, dass die Erschießung "in direkter Verbindung mit der antiterroristischen Operation" stehe, als sein Stellvertreter Andy Hayman vor der Presse bereits zugab, dass man vermutlich einen Unschuldigen erwischt habe. Die Untersuchung des Falles wird in gut einer Woche eröffnet.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.