Wirtschaftsgipfel in Davos: Bescheidenheit ist angesagt

Traditionell will der Wirtschaftsgipfel von Davos die Politik von den Märkten fernhalten. Dieses Mal dürfte das aber nicht gelingen.

Der Teppich wird ausgerollt: Weltwirtschaftsforum. Bild: dpa

Der große, hagere Mann ist um wohlgesetzte Worte nie verlegen. Ausgewählt und charmant begrüßt Klaus Schwab, der Chef des Weltwirtschaftsforums, mit seinem sehr deutschen Englisch Könige, Präsidenten und Konzernchefs. Auch beim diesjährigen Weltgipfel der Manager ab Mittwoch im Schweizer Skiort Davos wird Schwab (70) wieder Dutzende Ansprachen halten - doch eines ist diesmal anders. Ein Begriff ist neu. Er lautet: "Bescheidenheit".

Diese Tugend ist dem World Economic Forum (WEF) eigentlich völlig fremd. Das Weltwirtschaftsforum ist zwar nur ein Verein, allerdings einer mit äußerst potenten Mitgliedern. Er wird getragen von den 1.000 wichtigsten Konzernen der Welt. Dieser Club spricht für die Mächtigsten und erhebt seit jeher den Anspruch, zu wissen, wo die Welt hinstrebt. Das aber ist infrage gestellt. Klaus Schwab sagt es so: "Die Globalisierung ist wie eine Autobahn. Manche gingen dazu über, 200 zu fahren." Irgendwann hätten die Langsamen gedacht: "Wir sind doch keine Idioten, wir fahren jetzt auch schneller." Die Raserei endete in einer "Massenkarambolage", Schwabs Bild für die Finanzkrise.

Einige Unfallopfer sind inzwischen verstorben - unter anderem die US-Bank Lehman Brothers. Andere, wie die Commerzbank und die Deutsche Bank, liegen auf der Intensivstation. Die Politik diskutiert über das künftige Tempolimit auf der Autobahn, die Breite der Fahrbahn und die Höhe der Leitplanken. Dass die Verkehrsregeln nicht ausreichten, räumt auch Schwab inzwischen ein - obwohl das eigentlich nicht seine Art ist.

Traditionell geht es dem WEF darum, die Politik von den Märkten möglichst fernzuhalten. Nun, in der vermutlich schwersten Wirtschaftskrise seit den 1930er-Jahren, passt man die Aussagen der wirtschaftskritischen öffentlichen Meinung an. "In der jüngeren Vergangenheit haben wir alle fünf bis sechs Jahre eine Finanzkrise erlebt, deren Intensität zunimmt", sagt WEF-Direktor André Schneider. Und er fragt: "Was können wir tun, um die nächste Krise zu verhindern?" Einen Teil der Antwort haben die Schweizer Experten bei ihren Mitgliedsunternehmen, Wissenschaftlern und Politikern bereits recherchiert. "Die von uns befragten Personen erwarten innerhalb der kommenden drei Jahre unter anderem eine erweiterte Regulierung des Finanzmarktes und eine stärkere Rolle der Politik", sagt WEF-Mitarbeiter Max von Bismarck.

Dass die Position der Regierungen eine größere Bedeutung erhält, ist dieses Jahr auch in dem Schweizer Skiort auf 1.600 Meter Höhe nicht zu übersehen. Kann Schwab sonst um die 25 Regierungschefs begrüßen, haben sich zum 39. WEF doppelt so viele Spitzenpolitiker angesagt. Erstmals seit einigen Jahren reist auch Bundeskanzlerin Angela Merkel wieder nach Davos. Russlands Regierungschef Wladimir Putin erscheint ebenso wie der chinesische Premierminister Wen Jiabao.

Die Gesprächsstimmung zwischen Politikern und Managern freilich dürfte diesmal nicht immer Davos-typisch freundschaftlich ausfallen, eher wird es zur Sache gehen. Denn das Maß an Bescheidenheit, welches die Wirtschaftselite und das Wirtschaftsforum zu demonstrieren bereit sind, reicht manchen Politikern nicht aus. Die Konflikte liegen auf der Hand. Unter anderem die Regierungen der USA und Deutschlands planen inzwischen Maßnahmen, die den Bank- und Unternehmensvorständen dann doch zu weit gehen.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, ein durchaus liberaler und unternehmensfreundlicher Sozialdemokrat, ist es beispielsweise leid, dass ihm die Manager - ungeachtet der von ihnen produzierten gigantischen Verluste - weiterhin auf der Nase herumtanzen. Vor wenigen Tagen hat Steinbrück einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Steuerhinterziehung mithilfe von Steueroasen wie der Schweiz, Liechtenstein oder den Cayman-Inseln beträchtlich erschweren soll. Investoren, die Konten in Steueroasen unterhalten, könnten dann bestimmte Kosten gegenüber den deutschen Finanzämtern nicht mehr geltend machen. Das würde den finanziellen Reiz transnationaler Kapitalverschiebungen erheblich reduzieren. Auch US-Präsident Barack Obama hat in seiner Zeit als Senator einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Verluste des Staates durch Steueroasen vermindern soll.

Angesichts solcher Initiativen der Politik ist man beim WEF, das gerade die Interessen der Schweizer Banken, der größten Vermögensverwalter der Welt, nicht aus dem Blick verlieren darf, ziemlich zurückhaltend. Ja, Steuerhinterziehung sei ein Problem, meint WEF-Direktor Schneider. "Aber eine stärkere Regulierung durch die Politik allein ist keine Lösung".

Dass das WEF und seine Mitglieder Hoffnung hegen, mittelfristig einer allzu scharfen Kapitalmarktregulierung zu entgehen, ist auch in der neuen WEF-Studie "The Future of Global Finance" zwischen den Zeilen zu lesen. Den größeren Einfluss der Staaten nimmt man für die nähere Zukunft - etwa drei Jahre - als unvermeidbar hin.

Was danach kommt, scheint aber in den Augen der Autoren der Studie auf einem anderen Blatt zu stehen. In ihren langfristigen Szenarien spielen Tempolimit und Leitplanken auf den Autobahnen der internationalen Kapitalmärkte - eine bessere politische Regulierung also - kaum eine Rolle. Die neue Bescheidenheit könnte schon rasch wieder dahin sein.

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