Vorgehen gegen Lokführer-Streiks: Gericht wirft Bahn Willkür vor

Vor einem neuen Gespräch zwischen Bahn und GDL hat ein Gericht die Schritte des Konzerns gegen Streiks deutlich kritisiert. Die Lokführer erwarten indes eine Tarifeinigung vor Weihnachten.

Rüffel vom Gericht: Bahnchef Hartmut Mehdorn Bild: dpa

NÜRNBERG taz/dpa/rtr Im Tarifkonflikt zwischen der Bahn und der Lokführer-Gewerkschaft GdL hat das Arbeitsgericht Nürnberg der Bahn einen kräftigen Rüffel erteilt. Das Verhalten des Unternehmens, zur Verhinderung von bundesweiten Streiks eine Vielzahl von Arbeitsgerichten anzurufen, sei "willkürlich und rechtsmissbräuchlich", stellten die Richter in einem am Montag veröffentlichten Beschluss fest. Zugleich erklärte sich das Gericht in einem noch in Nürnberg anhängigen Rechtsstreit für unzuständig und verwies das Verfahren an das Arbeitsgericht Frankfurt.

Die Bahn hat in dem Tarifstreit bereits mehrere deutsche Arbeitsgerichte angerufen, darunter auch das Gericht in Nürnberg. Dieses hatte am 8. August auf Antrag der Bahn zunächst ein befristetes Streikverbot für den Fern- und Güterverkehr ausgesprochen. Zwei Tage später war es zu einem Vergleich gekommen: Die GDL verzichtete bis Ende August auf Streiks, die Bahn erklärte dafür drei weitere Arbeitsgerichtsverfahren für gegenstandslos.

In der eigentlichen Frage, ob die Lokführer-Streiks rechtswidrig seien, gab es aber keine Entscheidung. Dieses Verfahren wurde nun nach Frankfurt, an den Sitz der Gewerkschaft GdL, verwiesen. Die Richter verwarfen damit die Argumentation der Bahn. Diese hatte die Zuständigkeit der jeweiligen Arbeitsgerichte damit begründet, dass sie in deren Bereich Niederlassungen habe, die vom Streik betroffen seien.

Wie das Gericht feststellte, hatten die Bahnunternehmen eine Vielzahl von Arbeitsgerichten angerufen, "immer mit dem Ziel, Streikmaßnahmen der GdL bundesweit zu untersagen". Immer dann, wenn die Gerichte zu erkennen gegeben hätten, den Rechtsstreit nach Frankfurt verweisen zu wollen, habe die Bahn die Anträge wieder zurückgenommen und ein anderes Gericht angerufen. Sachliche Gründe für die Anrufung eines dieser Gerichte seien nicht erkennbar gewesen; "außer demjenigen, eine bestimmte Entscheidung erreichen zu wollen".

Bahn und Lokführergewerkschaft wollen bei einem Spitzengespräch am Dienstag versuchen, Bewegung in den festgefahrenen Tarifkonflikt zu bringen. Obwohl seiner Gewerkschaft kein neues Angebot des Unternehmens vorliege, werde sie mit dem Bahn-Vorstand zusammenzukommen, verkündete GDL-Chef Manfred Schell. "Unser Ziel ist es, den Tarifkonflikt zu befrieden." Die Bahn teilte mit, Schell und Konzernchef Hartmut Mehdorn hätten die Zusammenkunft bei einem Telefongespräch vereinbart. Über Ort und Zeitpunkt wollten beide Seiten keine Angaben machen.

Die Bahn lehnte zugleich eine Stellungnahme zu einem möglichen neuen Angebot ab. Am Wochenende hatte es in Medienberichten geheißen, das Unternehmen wolle eine neue Offerte auf Basis der Mediationsrunde der CDU-Politiker Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler unterbreiten. Offen blieb zunächst, wann es zu neuen Streiks im Güter- und Personenverkehr kommen könnte. Die GDL sagte lediglich zu, bis einschließlich Dienstag auf weitere Arbeitskampfmaßnahmen zu verzichten.

Schell unterstrich, es handele sich bei der Zusammenkunft am Dienstag nicht um Tarifverhandlungen. Bevor es zu solchen komme, müsse "ein verbessertes Angebot auf den Tisch", sagte er. Zugleich bekräftigte der GDL-Vorsitzende, seine Gewerkschaft rechne nicht mit einem Abschluss in Höhe der ursprünglich geforderten 31 Prozent. Das Ergebnis müsse aber auf jeden Fall zweistellig sein. "Wenn wir uns in der Hälfte treffen - das wäre so bei 15 Prozent - das wäre ein Abschluss, den könnte man akzeptieren." Seine Erwartungen an das Gespräch am Dienstag tendierten allerdings "gegen Null". Zugleich zeigte er sich jedoch zuversichtlich, dass spätestens bis Weihnachten eine Verständigung hinzubekommen ist.

Die GDL hatte mit einem unbefristeten Arbeitskampf gedroht und der Bahn ein Ultimatum bis Montag, 0 Uhr, gesetzt. Schell sagte zu, sollte es zu neuen Tarifverhandlungen kommen, würden die Streiks ausgesetzt.

Die Bundesregierung erhöhte den Druck auf die Tarifparteien. Der Konzern müsse ein neues Angebot vorlegen, um die festgefahrenen Fronten aufzuweichen, sagte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee im Deutschlandfunk. Die Bahn und die Lokführergewerkschaft müssten sich gleichermaßen bewegen und auf Bedingungen für Verhandlungen verzichten.Der Vorstand des Unternehmens sei nach seiner Kenntnis bereit, den ersten Schritt zu tun, obwohl das offensichtlich sehr schwer falle.

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