EU-Gipfel und die Bankenkrise: Lieber keine Details

Die EU-Kommission beschränkt sich auf Leitlinien für den Umgang mit angeschlagenen Banken. Praktisch kann jedes Land machen, was es will.

Hält Verzicht auf einen EU-Beitrag beim Konjunkturpaket für einen "großen Fehler": Luxemburgs Premier Juncker. Bild: reuters

Zwei Botschaften versuchen Europas Politiker derzeit in den Köpfen ihrer Wähler zu verankern. Erstens: Wir haben die Krise im Griff. Zweitens: Wir sind uns völlig einig, was getan werden muss. Obwohl also angeblich nichts mehr zu besprechen ist, schieben die Chefs und ihre Außenminister ein Sondertreffen nach dem anderen ein. Danach geht jeder nach Hause und tut, was er angesichts der dramatischen Lage für das Beste hält - gemeinsame Beschlüsse hin oder her.

Der EU-Gipfel, der Donnerstag und Freitag in Brüssel stattfindet, wird von diesem Ritual nicht abweichen. Es ist allerdings kein Sondergipfel, sondern das reguläre Frühjahrstreffen der 27 Staats- und Regierungschefs. Doch der Tagesordnungspunkt, der alles überschattet, heißt auch diesmal: Bewältigung der Wirtschaftskrise. Die EU-Kommission hat inzwischen ein ganzes Bündel an Vorschlägen gemacht und weitere angekündigt. Ihr Dilemma: Wenn sie den nationalen Alleingängen keinen Riegel vorschiebt, ist der Binnenmarkt am Ende. Wenn sie zu strenge Regeln aufstellt, werden sie von den Mitgliedstaaten ignoriert und die Kommission verliert ihre Autorität.

Deshalb beschränkt sie sich im Augenblick am liebsten auf "Leitlinien", die den Nationalstaaten die grobe Richtung vorgeben, ohne Details festzulegen. Solche Gebrauchsanweisungen gibt es bereits für staatliche Konjunkturprogramme und für den Umgang mit "toxischen" Papieren, also wertlosen Schuldverschreibungen. Ursprünglich hatte die Kommission die Banken mit mindestens 50 Prozent an den anfallenden Verlusten beteiligen wollen. So wollte man verhindern, dass solide wirtschaftende Bankhäuser gegenüber der risikofreudigen Konkurrenz benachteiligt werden. Am Ende verzichtete die Kommission aber darauf, detaillierte Vorschriften zu machen. Den Mitgliedstaaten steht es nun frei, faule Papiere aufzukaufen, eine Auffang-Bank zu gründen oder ein Bankhaus zu verstaatlichen.

Den Mitgliedstaaten wird es wohl nicht schwer fallen, bei ihrem Gipfeltreffen diesen Vorschlag abzusegnen. Praktisch besagt er: Auch in Zukunft kann jedes Land mit faulen Wertpapieren seiner Banken so verfahren, wie es möchte. Heftigen Streit gibt es hingegen um den einzigen konkreten Vorschlag aus Brüssel, das 5 Milliarden Euro umfassende Konjunkturprogramm. Kommissionspräsident Barroso hatte vorgeschlagen, mit nicht abgerufenen Fördermitteln aus dem vergangenen Haushaltsjahr Energienetze über Landesgrenzen hinweg zu verknüpfen und Breitbandnetze in ländliche Gebiete zu legen. Doch Nettozahler Deutschland winkte ab.

Irland hingegen möchte das Paket unbedingt beim Gipfel am Donnerstag beschließen. 100 Millionen Euro aus dem Topf sollen für Verbindungsstücke zwischen dem irischen und dem britischen Elektronetz, für Windparks in Irland und für schnelle Internetverbindungen in ländlichen Gebieten ausgegeben werden. Die tschechische Ratspräsidentschaft versucht das Projekt mit einem neuen Finanzierungsvorschlag zu retten. Es soll nun aus dem Budget 2009 und 2010 finanziert werden.

Doch auch diese Variante lehnten Österreich, Deutschland und Frankreich beim Außenministertreffen Anfang der Woche ab. Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker hingegen unterstützt die irische Position: "Ich hielte es für einen großen Fehler, auf einen spezifischen, ureigenen EU-Beitrag im Rahmen des gesamten Konjunkturpakets zu verzichten", sagte er der Frankfurter Rundschau.

Ausgerechnet Paris und Berlin, die angesichts der Krise sämtliche Mahnungen aus Brüssel in den Wind schlagen, fordern nun mehr Führungsstärke von der EU-Kommission. "Wir rufen die Europäische Kommission nachdrücklich auf, alle Bedrohungen des fairen Wettbewerbs im Binnenmarkt und auch im Hinblick auf unsere internationalen Partner streng zu beobachten", heißt es in einem offenen Brief, mit dem sich die deutsch-französische Achse auf der europäischen Bühne zurückmeldet.

"Registrierung, Regulierung und Aufsicht" für Hedgefonds und private Anlagegesellschaften sowie Vergütungsregeln für Manager, "die transparent und an langfristigen Ergebnissen orientiert sind", sollen europaweit eingeführt werden. Die EU-Kommission hat entsprechende Vorschläge für den 21. April angekündigt. Dabei will sie sich nicht mit Leitlinien begnügen, sondern Rahmengesetze auf den Weg bringen.

Hinter den Kulissen aber streiten die Rechtsexperten von Rat und Kommission erbittert über die Rechtsgrundlagen. Je nachdem, ob der Verbraucherschutz, der freie Kapitalverkehr oder der Binnenmarkt im Vordergrund steht, ändert sich das Verfahren. Davon, ob der Rat einstimmig entscheiden muss oder das Parlament Mitsprache hat, hängt auch die Dauer des Gesetzgebungsverfahrens ab. Experten schätzen, dass die Prozedur sich bis zu drei Jahre hinziehen kann. Für die aktuelle Krise kommen die neuen Regeln dann wohl zu spät.

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