Experten warnen vor Rezession: Schlechtere Jobs und weniger Geld

Alternative Ökonomen sehen keinen Anhaltspunkt dafür, dass der private Konsum massenhaft ansteigen sollte.

Noch sind die Verbraucher kauffreudig: Einkaufszentrum in Stuttgart Bild: dpa

BERLIN taz Selten klafften die Indizes so weit auseinander: Während die Verbraucher noch gute Laune demonstrieren, signalisieren die Unternehmen längst schlechtere Stimmung. Wenn man nach den Prognosen der Konjunkturforscher geht, ist allerdings klar, wer recht behalten könnte: die Wirtschaft.

Besonders drastisch schildert die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik die Perspektiven. Am Montag stellte sie ihr Memorandum 2008 vor, das als Gegengutachten zu den offiziellen Prognosen des Sachverständigenrats der Bundesregierung gilt. Tenor: Der Aufschwung ist nicht nur vorbei, es besteht sogar die "akute Gefahr einer Rezession".

"Es ist eine völlige Fehleinschätzung, zu glauben, dass der private Konsum in diesem Jahr anziehen wird", sagte Heinz-Jürgen Bontrup, Professor an der Fachhochschule Gelsenkirchen. Schließlich sei der jetzt abklingende Aufschwung "deutlich schwächer" ausgefallen als vorangegangene. Grund dafür war auch schon der private Konsum, der mehr als die Hälfte der inländischen Nachfrage ausmacht: Während die Wirtschaft noch boomte, gaben die Verbraucher 2007 0,3 Prozent weniger aus als 2006

Die Memo-Autoren wundert das nicht: Real hat sich das Wirtschaftswachstum der letzten Jahre nur für eine Minderheit gelohnt. 81 Prozent der Bevölkerung haben nicht profitiert. "Beim Abschwung wird das umgekehrt sein", so Bontrup. "Wer soll da massenhaft konsumieren?"

Die vermeintlichen beschäftigungspolitischen Erfolge der Bundesregierung änderten daran nichts. Schließlich sei das Sinken der offiziellen Arbeitslosenquote damit erkauft worden, dass immer Menschen, die keine Arbeit finden, gar nicht mehr erfasst werden - und dass sich die Art und Weise der Beschäftigung verschlechtert hat. So arbeitet inzwischen ein Drittel der Beschäftigten in Teilzeit, ein Großteil von ihnen ungewollt, fast 6 Millionen Menschen sind prekär beschäftigt, also in unterbezahlten und ungeschützten Arbeitsverhältnissen. Zugleich seien Niedriglöhne "zu einer Massenerscheinung geworden", die schon mehr als jeden fünften Erwerbstätigen betrifft. 8 Prozent der Bevölkerung gehören bereits zum "abgehängten Prekariat" und haben damit keine Chance, auf den regulären Arbeitsmarkt zurückzufinden.

"Wir haben geradezu paradiesische Zustände für die Arbeitgeber", so Bontrup. "Sie können die Löhne praktisch diktieren."

Um die Negativtrends umzukehren, muss die Bundesregierung nach Ansicht der Memo-Autoren in den nächsten drei Jahren 75 Milliarden Euro in ein Investitions- und Beschäftigungsprogramm stecken, das den ökologischen Umbau vorantreiben soll. "Unternehmen können jeden Mitarbeiter entlassen", sagte Bontrup. "Der Staat kann nicht so tun, als könne er das mit der Bevölkerung auch."

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