Berliner Stadtreinigungschefin: "So wirtschaftlich wie ein Privatbetrieb"

Kommunen sind besser geeignet, Müllabfuhr und Wasserversorgung preiswert zu leisten, meint die Chefin der Berliner Stadtreinigung, Vera Gäde-Butzlaff.

Geringe Müllgebühren trotz angemessener Bezahlung - bei der BSR ist das möglich. Bild: dpa

taz: Frau Gäde-Butzlaff, mehrere Kommunen haben die Müllentsorgung wieder selbst in die Hand genommen. Ist das ein Trend?

Vera Gäde-Butzlaff: In der Tat setzt verstärkt ein Umdenken ein. Bis vor einiger Zeit galt der Satz: Privat ist preiswerter und besser - ohne diese Maßgabe zu hinterfragen. Viele Städte in Finanznot haben in der Vergangenheit mit Privatisierungen kurzfristig Geld in die Kassen bekommen. Welche Folgen aber die Verkäufe haben, realisieren die Politiker erst seit einiger Zeit und ziehen mancherorts Konsequenzen. Die Hoffnung auf niedrige Müllgebühren durch Private wurde nämlich meist enttäuscht.

Welchen Vorteil hat eine Kommune, wenn ihr eigener Betrieb den Müll abfährt?

Ein privater Entsorger arbeitet gewinnorientiert, er zieht möglichst viel Geld aus dem jeweiligen Geschäft. Je höher die Gebühren, desto besser für Ihn. Die Berliner Stadtreinigung, die zu 100 Prozent dem Land gehört, arbeitet auch wirtschaftlich, hat aber kein Interesse an Gebührenerhöhungen. Anders als bei einem privaten Anbieter fließen nur die realen Kosten in die Gebühren ein, aber keine Gewinnanteile. Unsere Kostensenkungen geben wir direkt an die Berlinerinnen und Berliner weiter, indem wir die Müllgebühren niedrig halten.

Aber Städte und Landkreise beauftragen Private nach einer Ausschreibung - der Günstigste sollte also siegen. Versagt der Wettbewerb?

Er funktioniert nur da, wo es ihn gibt. In der Abfallwirtschaft gilt das nur sehr eingeschränkt. Heutzutage bedingen die hohen ökologischen Standards einen hohen Kapitalaufwand. Hat ein Betreiber einmal den Zuschlag bekommen, wird kein Neuer gegen eine fertige Infrastruktur investieren. Das führt, wie zum Beispiel bei den Versorgern, zu Konzentrationsprozessen und örtlichen Monopolen.

Dennoch: Öffentliche Betriebe gelten als verkrustet, dafür gibt es viele Beispiele.

Da hat sich in den vergangen Jahren viel getan. Aus sicher berechtigter Kritik ist ein Vorurteil geworden. Unsere Mitarbeiter arbeiten genauso viel und lange wie bei anderen Unternehmen, die Arbeit wird auf technisch höchsten Stand organisiert und nach strengen ökologischen Vorgaben. Und all dies so wirtschaftlich wie in einem gut geführten privaten Betrieb. Ein Unterschied besteht bei den Löhnen, die sind höher.

Wie wirkt sich das auf die Müllgebühren aus?

Ein Vergleich der deutschen Großstädte zeigt: Berlin hat trotzdem die niedrigsten Abfallgebühren. In den meisten der Vergleichsstädte wird die Leistung von privaten oder teilprivatisierten Betrieben erbracht. Dies macht deutlich, dass ein kommunaler Betrieb wie die BSR, der die Geschäftsabläufe optimiert hat, in der Lage ist, bei verbraucherfreundlichen Gebühren seinen Mitarbeitern Löhne zu zahlen, mit denen sie ihre Familien ernähren können.

Ist die Rekommunalisierung also ein Zukunftsmodell für viele Städte und Branchen?

Jede Kommune muss bestimmte Aufgaben für alle Bürger erbringen, auch da, wo das Angebot nicht gewinnbringend und für den Markt uninteressant ist. Das altmodische Wort Daseinsfürsorge trifft die Bereiche, die Kommunen besser selbst können, sehr gut - ob es nun um die Wasserversorgung geht oder die Müllentsorgung. Wobei dies kein Dogma sein darf, es kommt auf den Einzelfall an. Nicht jede kleine Gemeinde muss sich als Unternehmerin betätigen.

Haben Sie schon mal klammheimlich gedacht: Mensch, würde ich doch ein Privatunternehmen führen?

Natürlich hat jeder manchmal die Vision, völlig frei schalten und walten zu können. Aber glauben Sie mir: Auch der Vorstandschef einer Privatfirma arbeitet mit Zwängen, die sich vor allem aus den Gewinnerwartungen ergeben.

INTERVIEW: ULRICH SCHULTE

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