20 Jahre „Buffy“: Eine Frau, die das Patriarchat zerlegt

Ein zierliches Mädchen verkloppt Vampire und Monster, die in den Ort Sunnydale einfallen: Seit jeher ist Buffy ein feministisches Role Model.

Ein Mädchen sticht einem Vampir in den Bauch

Zack, Pflock ins Herz: Filmszene aus der Serie „Buffy“, 1996 Foto: imago/United Archives

Käme Buffy nach Schnellroda in Sachsen-Anhalt, würde sie nur kurz die Augen rollen, dann eine flapsige Bemerkung, ein paar Fußtritte, den Holzpfahl in Richtung Herz – und puff, Schnell­rodas Männergangs würden sich in Staub auflösen. Dort wohnt der neurechte Publizist Götz Kubitschek, der mit seinem Verlag Antaios Bücher herausgibt wie „Der Weg der Männer“ von Jack Donovan, einem Autor der amerikanischen „Alt-Right“.

Inhalt: Um uns herum zerfällt die Zivilisation, und im Angesicht der Apokalypse können Männer endlich wieder beweisen, dass sie noch echte Kerle sind: Jagen, Revier markieren, Schulter an Schulter kämpfen, Adrenalin. Die Frauen sind zu Hause, kümmern sich um das Gemüse und die Kinder. Die Gewalt der Männer als herrschendes Prinzip der Apokalypse. Die Reaktionären können es kaum erwarten.

Buffy ist das Gegenstück zu dieser rückwärtsgewandten Endzeitfantasie. Sie war schon vor 20 Jahren ganz anders, als es das Genre bis dahin wollte: Blonde Mädchen waren sonst in Horrorfilmen die, die schreien, wegrennen und dann umgebracht werden. Hauptdarstellerin Sarah Michelle Gellar ist das im „Buffy“-Jahr 1997 selbst noch so ergangen. In „Scream 2“ rammte ihr der Maskenmann erst ein Messer in den Rücken und warf sie dann vom Balkon. Das war „normal“.

Serienschöpfer Joss Whedon hat in „Buffy“ die Rollen verdreht und damit eine Frau geschaffen, die das Patriarchat zerlegt. Genau das macht Buffy in der letzten Staffel, als sie ihr lange so einsames Superheldinnen-Dasein endlich mit einer internationalen Clique junger Jägerinnen – und damit mit allen vor dem Bildschirm – teilt und fragt: „Are you ready to be strong?“

Subversion in Serie

Das Slayertum ist das eine. Die Körpernorm ist das andere. Neben ihrer Rolle als Vampirjägerin wirken die Bilder in 90er-Jahre-Pastelltönen eines schlanken blonden Mädchens zunächst nicht sonderlich verstörend. Statt eines Holzpfahls könnte sie auch eine Yogurette halten. Wie feministisch ist diese Darstellung von Schönheitsidealen in der Serie? Das war die große „Buffy“-Debatte bis in die nuller Jahre.

Wer die Kontroverse besser verstehen will, kann die Abschlussarbeit von Missy-Magazin-Herausgeberin Chris Köver lesen. Sie beschreibt anhand von Buffy, wie Subversion in den Zwängen der Kulturindustrie funktioniert. Nämlich leider selten in der Darstellung des komplett Anderen, sondern in dem Aufrufen und Reproduzieren und teilweise Überschreiben von Geschlechterrollen und Praktiken.

Die Serie „Buffy the Vampire Slayer“ bediente also bestimmte Körpernormen der Hauptdarsteller*innen, um an anderer Stelle Konventionen zu brechen. Das macht es nicht einfach. Da ist zum Beispiel die lesbische Liebe zwischen Buffys Freundin und Nachwuchszauberin Willow und ihrer Freundin Tara – in einer sonst sehr heteronormativen Serie.

Ebenso gesellschaftlich erwünscht ist die Moral der Serie: In Sunnydale tobt ein Kampf von Gut gegen Böse. Buffy ist gut. Ihre Gewalt richtet sich gegen Vampire, Untote, Monster. Sie ist die Beschützerin und Bewahrerin der bürgerlichen Ordnung Sunnydales. Sie hält die Unterschicht und Ausgeschlossenen, die immer wieder an die Oberfläche strömen wollen, auf Abstand. Das schafft Identifikationspotenzial auch bei weißen Mittelschichtsboys, die sonst bei dem Wort „Feminismus“ eher an „Genderwahnsinn“ denken. Überhaupt ist der Cast der Serie so weiß, dass er heute jedem Studio um die Ohren fliegen würde.

Die Scooby Gang

Und doch: Wer einmal die erste Staffel mit den „Monstern der Woche“ überwunden hat (und wenn das Storytelling langsam einsetzt), wird mit so viel Feelings belohnt wie in kaum einer Serie seitdem. Es ist ja nicht Buffy allein. Es ist die schon erwähnte Freundin Willow, die vom Computernerd zur mächtigen Zauberin wird, der tollpatschig-treue und lustige Freund Xander, der erst in der Beziehung mit der Rachedämonin Anya langsam erwachsen wird. Da ist Bibliothekar und Buffy-„Wächter“ Giles, der erst in der Musicalfolge „Once more, with feeling“ versteht, dass er kein Vaterersatz für Buffy sein kann. Auch nicht, als ihre Mutter an Krebs stirbt. Und und und.

Je länger die Serie geht, desto wichtiger wird Buffys Team, die sogenannte Scooby Gang, in der jeder und jede ihre Rolle findet. Die Utopie von „Buffy“ ist zunächst eine ganz bescheidene: einfach mal in Ruhe einen Film gucken oder in den Club gehen, ohne dass wieder die Schule und die Monster des Alltags nerven; genug Geld zu haben, um vernünftig wohnen zu können und nicht im Burgerladen arbeiten zu müssen, in dem die Vernutzung der Arbeitskraft so weit geht, dass die eigenen Mitarbeiter zu Fleisch-Pattys verarbeitet werden, wie Buffy in einer Folge erlebt.

Die erste Folge „Buffy the Vampire Slayer“ lief im März 1997 im US-TV, im Oktober 1998 auf ProSieben. Bis 2003 bekämpft die anfangs 16-jährige Buffy Summers mit Freund*innen Vampire, Dämonen und die Tücken des Alltags, in insgesamt sieben Staffeln mit 144 Folgen. Unter Fans erreichte die Serie schnell Kultstatus. Parallel startet der Spin-off „Angel“. „Buffy“ wurde als Comic fortgesetzt und ist Thema unendlich vieler Blogs, Konferenzen, Uni-Arbeiten und Cliquentreffen. Seit 2001 gibt es das Onlinejournal „Slayage“. Es gibt viele Bücher und Sammelbände, etwa „Horror als Alltag“ im Verbrecher Verlag, 2010.

Utopie ist eine Clique (mit Bibliothek als Rückzugsraum!), die als frei gewählte Assoziation immer wieder das Schlimmste verhindert und in den Beziehungen untereinander doch so viel mehr findet, als jede Staffel einen Endgegner zu erlegen.

Der Backlash und die Boys

Die sind vom dämonenhaften Bürgermeister, dem misogynen Priester oder dem Rat aus „Wächtern“, die die Regeln für die Vampirjagd („Es darf nur eine geben!“) gemacht haben, meist auch Repräsentanten des Patriarchats. Nicht die Höllenmonster sind Buffys härteste Gegner, sondern drei Collegestudenten, die sich Sexsklavinnen im Keller halten, als wäre es das Normalste der Welt: Ausgerechnet in dieser unfassbar depressiven sechsten Staffel, als Buffy keine Lust mehr hat zu leben und müde ist vom Kämpfen, ist die größte Gefahr ein weißer heterosexueller Mann mit Waffe, der Buffy erschießen will und Willows Freundin Tara trifft.

Hier liegt die Aktualität von „Buffy“: Die Scooby-Gang tritt den Kampf gegen Patriarchat und Rape-Culture an, nur ein paar Jahre nachdem die Journalistin Susan Faludi in ihrem Buch „Backlash“ beschrieben hat, wie christliche Fundis in den USA versuchten, die Errungenschaften der Frauenbewegung zurückzudrehen, und sich in den Medien, der Popkultur und dem Weißen Haus der 80er Jahre ein antifeministisches Projekt formierte. Dieser Backlash ist für viele Republikaner und Rechten immer ein unvollendetes Projekt gewesen. Heute soll er fortgesetzt werden.

Das gilt auch für die Krise der Industriegesellschaft, sie zieht sich bis heute. Und die Männer werden noch nervöser als damals, suchen ihre Rolle. Buffy trifft viele von ihnen. Manche mitten ins nicht vorhandene Herz. Andere ganz intim: Wie etwa Riley, den Soldaten, der es nicht ertragen kann, mit Buffy eine starke Frau neben sich zu haben, und lieber wieder mit seiner Männergang loszieht, um fremde Reviere zu markieren.

Und da sind Buffys Beziehungen mit zwei geläuterten Vampiren: „Schmerzensvampir“ Angel, dieser romantisch-sensible Albtraum, der sich nach der ersten Nacht mit Buffy doch wieder in ein Monster verwandelt. Und Spike, der hypermaskuline Punk. Als die kritische Männlichkeitsforschung langsam in die Gänge kommt, laufen sie als Serienfiguren bereits durch Sunnydale. Und zwar nicht als bloße Charaktertypen: In den teils über mehrere Staffeln gehenden Beziehungen zu Buffy und der Scooby Gang stellt sich auch die Frage, wie toxisch und wandelbar sie sind: Können sie Teil der Emanzipation sein? Und wenn ja, wie lange?

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