20 Jahre „Tolerantes Brandenburg“: Regierung warnt vor Nazis

In den 90ern war Brandenburg eine Hochburg der Neonazis. Die Situation derzeit zeige beängstigende Parallelen zu damals, sagt der Chef der Staatskanzlei.

Anti-Islamisches Plakat auf einer Demo in Cottbus

Rechter Aufmarsch in Cottbus im März 2018 Foto: dpa

POTSDAM dpa | Angesichts von Rechtspopulismus und rechtsextremen Aktivitäten gegen Flüchtlinge hat die Brandenburger Landesregierung vor bedenklichen Parallelen zu den 1990er Jahren gewarnt. „Wachsender Rechtspopulismus mit dem verstärkten Zuzug von Flüchtlingen seit 2014 ist das Wasser, in dem auch wieder Rechtsextreme schwimmen“, sagte Staatskanzleichef Martin Gorholt am Freitag in einer Bilanz zum 20-jährige Bestehen des Regierungsprogramms „Tolerantes Brandenburg“ gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. „Es gab eine Vielzahl von rechtsextremen Gewalttaten und Demonstrationen – damals wie heute.“

Laut der polizeilichen Kriminalstatistik waren vor 25 Jahren 500 gewaltbereite Rechtsextremisten registriert, deren Zahl ist im vergangenen Jahr wieder auf 530 gewachsen. Allerdings ging die Zahl registrierter rechtsmotivierter Straftaten von 254 im Jahr 1992 auf 124 zurück.

Mit dem Handlungskonzept „Tolerantes Programm“ habe Brandenburg dem wieder wachsenden rechten Aktivitäten aber begegnen können, betonte Gorholt. „Wir sind mit unserem Beratungsnetzwerk bei rechten Aktionen vor Ort und können mit den mobilen Beratungsteams Behörden und Initiativen unterstützen.“ Angesichts wieder aufkeimender Ressentiments und Hetze gegen Geflüchtete und Fremde müsse dieses Engagement fortgesetzt werden.

Auch die Bürger reihen sich ein

Dies unterstrich auch Anna Sprangenberg, Geschäftsführerin des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. „Rechtspopulismus und Alltagsrassismus tritt seit 2014 wieder offen auf“, mahnte sie. Auch bürgerliche Milieus hätten im Gegensatz zu den Vorjahren keine Scheu mehr, mit Rechtsextremisten auf die Straße zu gehen.

Brandenburgs Ministerpräsident Woidke sitzt in einem Auto mit der Aufschrift Tolerantes Brandenburg

Autofahren allein reicht nicht aus für ein „tolerantes Brandenburg“: Ministerpräsident Woidke unterwegs Foto: dpa

Das sehr erfolgreiche Handlungskonzept des „Toleranten Brandenburg“ müsse an die neuen Herausforderungen angepasst werden, mahnte auch die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag, Ursula Nonnemacher. „Rechtsextreme sind nicht mehr wie noch in den 90er Jahren eindeutig an Springerstiefeln, Glatze und Bomberjacke zu erkennen.“ Rechtsextreme Einstellungen seien weit ins bürgerliche Lager eingedrungen. „Und auch die Erscheinungsformen rechtsextremer Hetze haben sich durch die sozialen Medien radikal verändert.“

Zum Beratungsnetzwerk des „Toleranten Brandenburg“ gehören fünf Vereine und Verbände, darunter die mobilen Beratungsteams für Initiativen und Behörden, der Verein Opferperspektive und die Brandenburgische Sportjugend. Das Jubiläum des „Toleranten Brandenburg“ wird am Sonntag in Cottbus in einem Festakt mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gefeiert.

Das „Tolerante Brandenburg“ habe die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus deutlich verbessert, betonte Markus Klein von den mobilen Beratungsteams. Viele Bürgermeister hätten die Teams abgewehrt, weil sie nicht zugeben wollten, dass es in ihrem Ort ein Problem mit Rechtsextremismus geben könnte, berichtete Klein. „Das hat sich geändert als der damalige Ministerpräsident Manfred Stolpe sagte: „Wir haben damit in Brandenburg ein Problem““, sagte Klein. „Es war dann nicht mehr ein Zeichen von Schwäche, sondern ein Zeichen von Stärke, sich mit dem Rechtsextremismus auseinanderzusetzen.“

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