287. Tag FDLR-Kriegsverbrecherprozess: Richter wollen Anklage verkürzen

Tatvorwürfe, die sich ausschließlich auf Aussagen kongolesischer FDLR-Opfer stützen, will das Stuttgarter Gericht nicht weiterverfolgen.

Sowas reicht nicht, sagen die deutschen Richter: Zeichnung eines Opfers sexueller Kriegsverbrechen im Flüchtlingslalger Mugunga bei Goma, 2012. Bild: reuters

STUTTGART taz | Im Kriegsverbrecherprozess gegen Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni, Präsident und 1. Vizepräsident der im Kongo kämpfenden ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), will der zuständige 5. Strafsenat des Oberlandesgerichtes Stuttgart die Anklage weiter einschränken. In einer „Anregung“ an die Parteien schlug der Vorsitzende Richter Jürgen Hettich am 4. März vor, eine Reihe von Anklagepunkten zu streichen – „auszuscheiden“, wie es im Juristendeutsch heißt.

Es geht dabei nicht darum, die Tatvorwürfe gegen die Angeklagten zu reduzieren, die sich auf Tötung, Versklavung, Vergewaltigung und weitere Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß des Völkerstrafgesetzbuches beziehen. Es geht darum, einige der in der Anklageschrift zugrundlegelgten Einzelfälle nicht weiterzuverfolgen – wohl weil die in der bisherigen Beweisaufnahme, die seit fast vier Jahren andauert, vorgelegten Beweise dafür nicht ausreichen.

Konkret geht es um Angriffe auf Zivilisten, die die FDLR begangen haben soll, als eine gemeinsame kongolesisch-ruandische Militäroperation gegen sie am 25. Januar 2009 ihr Hauptquartier Kibua in der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu erreichte. Laut Anklage wurden bei den Gefechten um Kibua mindestens 12 Zivilisten von der FDLR „mit Gewehren und Macheten“ getötet und weitere „mindestens 48“ entführt. Die FDLR musste bei dem Angriff Kibua räumen – darüber, nicht aber so sehr über die in der Anklage erhobenen Vorwürfe, haben zahlreiche ehemalige FDLR-Kämpfer im Prozess in Stuttgart detailliert ausgesagt.

Weiter fallengelassen werden sollen nach Meinung des Stuttgarter Strafsenats die Anklagepunkte, die sich auf einen Angriff auf das Dorf Butolonga am 8. Mai 2009 beziehen, bei dem 131 Häuser niedergebrannt worden sein sollen. Und zuletzt zwei Angeklapunkte, deren Orte die Bundesanwälte nicht näher benennen, bei denen aber kongolesische Opferzeugen detaillierte Schilderungen der damit verbundenen Greueltaten gemacht haben – darunter eine besonders grausame Vergewaltigung.

Mangelndes "Konfrontationsrecht"

Die Befragung kongolesischer FDLR-Opfer vor dem Stuttgarter Gericht war anonym unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgt, per Videovernehmung aus einem ungenannten Ort in Afrika und ohne dass auch nur die Richter die Identität der Opfer kannten. Mangels des nötigen „Konfrontationsrechts“ dieser Zeugen durch die Verteidigung gelten die Aussagen solcher Zeugen nun offenbar nicht als ausreichend, um ohne flankierende Beweismittel einen Tatvorwurf zu erhärten. Mehrere andere Anklagepunkte sind bereits in der Vergangenheit vom Senat daher in Zweifel gezogen worden.

Anders als bei vielen anderen solchen Prozessen sind die Opfer in Stuttgart nicht als zivile Nebenkläger vertreten. Dies hätte ihnen größere Rechte im Verfahren zugesichert. So aber liegt es nicht in ihrer Hand, ob ihre Aussagen überhaupt vom Gericht berücksichtigt werden.

Mildere Anklage für Musoni

Wie der Senat weiter erklärte, wird beim zweiten Angeklagten, dem 1. FDLR-Vizepräsidenten Straton Musoni, eine Beschränkung der Anklage auf den Vorwurf der Rädelsführerschaft und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeregt, was unter Paragraph 129a des Strafgesetzbuches fällt.

Der Vorwurf der Vorgesetztenverantwortlichkeit für Kriegsverbrechen im Sinne des Völkerstrafgesetzbuches, das das Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs in deutsches Recht überträgt, würde dann nur noch gegen den Hauptangeklagten und offiziell immer noch amtierenden FDLR-Präsidenten Ignace Murwanashyaka aufrechterhalten werden. In der Anklage werden bisher beide Vorwürfe „in Tateinheit“ erhoben.

Die Anregung des Senats soll helfen, den seit Mai 2011 laufenden Prozess schneller zu Ende zu bringen. Bereits vor einer Woche hatte der Senat erklärt, aus seiner Sicht sei die Beweisaufnahme fast abgschlossen und könne bis Ende März zu Ende gehen.

Es stehen allerdings noch zahlreiche Beweisanträge der Verteidigung aus, und auch am 4. März wurden neue gestellt – so einer zur Ladung der ehemaligen Chefanklägerin der UN-Tribunale für Ruanda und Jugoslawien, Carla del Ponte, zum Beweis der von der Verteidigung vorgebrachten These, wonach die UNO bei der Aufarbeitung des Völkermordes in Ruanda nicht neutral ermittelt habe und ihre Berichte über spätere Verbrechen ruandischer Hutu-Kämpfer im Kongo daher auch nicht objektiv seien.

Der Prozess geht derweil mit der Verlesung der SMS-Nachrichten Murwanashyakas an seine Untergebenen im Kongo im Zeitraum 2006-09 weiter.

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