30 Tage Haft für Kreml-Kritiker: Depeche Mode ohne Nawalny

Zehntausende in ganz Russland folgten dem Protestaufruf von Alexei Nawalny. Der wurde bereits vorher festgenommen und nun zu einer Haftstrafe verurteilt.

Ansicht eines Autos von vorne, ein Mann fährt, in Bildmitte ein Mann in weißem Hemd auf dem Rücksitz, sonst dunkel

Regimekritiker Alexej Nawalny auf dem Weg zu einer Anhörung am 13.6. Foto: dpa

MOSKAU ap | Ein Gericht in Moskau hat Oppositionsführer Alexei Nawalny zu 30 Tagen Haft verurteilt. Nawalny habe wiederholt gegen Regelungen des öffentlichen Versammlungsrechts verstoßen, hieß es in der Begründung des Gerichts am späten Montagabend.

Hintergrund der Vorwürfe ist, dass Nawalny am Sonntagabend seine Anhänger aufgerufen hatte, bei einer Kundgebung in Moskau über eine andere Straße zu marschieren als ursprünglich geplant und von den Behörden genehmigt worden war. Bei den Anti-Korruptions-Kundgebungen in Städten und Orten im ganzen Land wurden Hunderte Demonstranten festgenommen.

Der Umfang der Kundgebungen sei unglaublich gewesen, sagte Nawalny Reportern kurz vor der Bekanntgabe der Arreststrafe gegen ihn. „So viele Leute sind nach draußen gekommen.“ Der Oppositionspolitiker war nach der Urteilsverkündung sogar noch zu Scherzen aufgelegt: Auf Twitter schrieb er, wegen der 30-tägigen Haftstrafe verpasse er nun ein Konzert der britischen Band Depeche Mode.

Nawalny hatte die Routenänderung der Demonstration in Moskau zur Twerskaja-Straße im Zentrum der Stadt damit begründet, dass die Behörden den Marsch zu stören versucht hätten. Ihm zufolge wurden die Arbeiter daran gehindert, am mit der Polizei vereinbarten Ort eine Bühne aufzubauen. Nach Angaben seiner Organisation wurde am Montag auch in deren Büros der Strom abgestellt.

Die Polizei warnte nach Nawalnys Aufruf zur Routenänderung, dass jegliche Provokation durch Demonstranten als Gefährdung der öffentlichen Ordnung angesehen und sofort eingedämmt werde. Die Moskauer Polizei blockierte einen Teil der Twerskaja-Straße mit großen Lastwagen. Für den Verkehr war sie ohnehin gesperrt, weil dort eine Feier zum russischen Nationalfeiertag mit Menschen in historischen Kostümen stattfand.

„Nieder mit dem Zar“

Tausende wütende Demonstranten riefen „Nieder mit dem Zar“, ehe sie die russische Nationalhymne sangen. Als die Polizei zugriff, fasste sie wahllos Protestierende. Mehr als 800 Menschen wurden festgenommen, in St. Petersburg, wo bis zu 10.000 Menschen protestiert hatten, wurden 500 weitere in Polizeibusse verfrachtet. Aus Wladiwostok wurden elf Festnahmen gemeldet. Unter den Festgenommenen waren viele Jüngere und teils auch Minderjährige.

Bei einer ähnlichen Kundgebung waren Ende März mehr als 1000 Menschen festgenommen worden, unter ihnen auch Nawalny, der auch damals bereits 15 Tage in Haft kam. Im April wurde er leicht verletzt, als ein Angreifer ihm eine Flüssigkeit ins Auge spritzte. Nawalny will 2018 für die Präsidentschaft kandidieren – als Gegenkandidat von Präsident Wladimir Putin.

Neben den Protesten im März handelte es sich um das größte öffentliche Zeichen der Unzufriedenheit der Russen mit der Regierung von Putin seit Jahren. Vor allem, dass auch in den abgelegenen Gegenden Russlands demonstriert wurde, galt Beobachtern als Signal für zunehmenden Zuspruch für die Opposition, die der Kreml gerne als Bewegung verwestlichter, urbaner Eliten darstellt.

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