ARD-Tatort aus Saarbrücken: Mysterium Pubertät

Schon schlimm, die Adoleszenz. In diesem Fall vor allem für Kommissar Kappel (Maximilian Brückner), der aus dem Pubertisten beim Verhör einfach nicht rauskriegt. ("Hilflos", So. 20.15 Uhr, ARD)

'Ne Kippe zur Entspannung? Bild: sr/manuela meyer

Rauchen tut er wie ein Schlot. Ach, würde dem Abiturienten Tobias (Sergej Moya) doch statt Zigarettenqualm auch mal ein verständlicher Satz über die Lippen kommen! Immerhin ist sein bester Freund durch einen brutalen Genickbruch in einem alten Parkhaus gestorben, doch wann immer der junge Mann seinen Mund aufmacht, ist da nur ein fast tonloses Stottern und Stammeln zu vernehmen. Wie geht man mit so einem um?

Kommissar Kappl (Maximilian Brückner) ist bald genervt von dem Pubertierenden, der ihm sein Büro vollqualmt. Ganz brachialer Bajuware brummt er: „Ich will den nicht verstehen, ich will auch kein Mitleid mit dem haben.“ Kollege Deininger (Gregor Weber), aufgewachsen in Saarbrücken, ist da milder gestimmt – was vielleicht daran liegt, dass er vor 20 Jahren auf demselben Parkhaus seine ersten Kippen geraucht hat und auf derselben Schule von denselben Lehrern genervt wurde: „Ich war so oft im Büro des Direktors – irgendwann dachten die, ich sei der Direktor.“

Die Rollenvorgabe für das Good-cop-bad-cop-Spielchen, das beim Verhör des verstockten Pubertierenden angewendet wird, ist also quasi vorgegeben: Kappl kloppt auf den Tisch, Deininger gibt den Verständigen und holt Kippen für den ewig verhuschten Schüler. Rausbekommen tun sie trotzdem nichts aus ihm.

Die Saarbrücken-Episode „Hilflos“ (Buch: Stefan Schaller und Sabine Radebold) ist ein ambitionierter Krimi über diesen undurchdringlichsten aller Lebensabschnitte geworden. Schon im normalen Leben gleicht die Annäherung an einen verschlossenen Youngster einer kriminalistischen Recherche. Hier wird der Kommunikationsversuch nun zum echten Kraftakt, denn je mehr Druck von den Polizisten auf den jungen Delinquenten ausgeübt wird, desto mehr verschanzt der sich aus einer Mauer aus Stille. Erst ein paar mühselig rekonstruierte Gewaltvideos vom Computer des Toten geben Aufschluss über das durchaus rabiate Treiben des jungen Schweigers.

Adoleszenz ist ja im schlimmsten Falle ein Zusammenwirken von Triebstau, Aggressionsstau und Kommunikationsstau – ganz wie beim Abiturienten Tobias. Tatsächlich hat Regisseur Hannu Salonen (hat zuvor einige feine Schwerin-„Polizeirufe“ gedreht) in seinem jungen Leisetreter, dem kaum ein Wort unterm Schnauzerflaum heraustritt, die beste Verkörperung juveniler Sprachlosigkeit gefunden. Umso mehr, das muss aber leider auch sagen, geht einem die nervöse Hemdsärmeligkeit des Naturburschen Kappl gegen den Strich: Gehen Sie zum Entspannen ruhig mal eine Runde rauchen, Herr Kommissar!

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