Abfall vermeiden: „Stoffrecycling ist nicht die Lösung“

Natürliche Ressourcen müssen besser genutzt werden. Neue Technologien könnten der Kreislaufwirtschaft zu neuer Blüte verhelfen.

Mehrere alte Autoreifen liegen in einem mit Wasserlinsen bedeckten Tümpel.

Wertvolle Rohstoffe illegal in einem Tümpel entsorgt. Foto: dpa

BERLIN taz | Abfall war gestern. In der Vermeidung von Müll durch intelligente Nutzung der Produkte liegt die neue Wertschöpfung. Forschung und Umweltpolitik entdecken die Kreislaufwirtschaft neu, jetzt unter der Bezeichnung „Circular Economy“.

„Viele Lösungsansätze, die uns heute zur Verfügung stehen, waren vor fünf bis zehn Jahren noch reine Vision“, sagt Martin Stuchtey, Mitautor einer neuen Studie über Kreislaufwirtschaft (“Growth within“, pdf-Datei), die kürzlich in einer Veranstaltung der Deutschen Technikakademie Acatech in Berlin vorgestellt wurde. Wesentliche Treiber sind die Digitalisierung für eine bessere Nutzung der Rohstoffe in Herstellung und Verbrauch sowie neue Wirtschaftsmodelle gemeinschaftlicher Nutzung (“Share Economy“).

„Wir haben massive Reserven für eine bessere Ressourcennutzung und stehen vor völlig neuen Revolutionen“, betont Stuchtey. Die Studie exemplifiziert dies für die Bereiche Mobilität, Ernährung und Wohnraum, in denen unter Kreislaufbedingungen Kosteneinsparungen von 65 bis 80 Prozent möglich werden sollen. Der neue Greentech-Entwurf wurde finanziert von Stuchteys Arbeitgeber, der Unternehmensberatung McKinsey, und der Umweltstiftung der britischen Weltumseglerin Ellen MacArthur.

„Wir werden in den nächsten Jahren zu einer Neubewertung des Ressourcenthemas kommen müssen“, unterstrich Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, bei Entgegennahme der Studie. Auch die EU-Kommission in Brüssel hatte im Dezember ein politisches Paket zur Förderung der Kreislaufwirtschaft vorgelegt, das von den Grünen im Europa-Parlament indes als zu wenig ambitioniert kritisiert wurde.

Demgegenüber unterstützte der frühere EU-Forschungs- und Umweltkommissar Jan Potocnik den Brüsseler Vorstoß: „Wir müssen die Ressourcen so lange wie möglich im Verbrauchszyklus halten“, sagte er vorige Woche auf der Nachhaltigkeitskonferenz „Wachstum im Wandel“ in der Wirtschaftsuniversität Wien. „Reines Stoffrecycling ist nicht die Lösung“.

Sechs Hebel sollen die „strukturelle Verschwendung“ senken: die Umstellung auf erneuerbare Energien und Materialien, die gemeinsame Nutzung von Autos, Räumlichkeiten und Geräten, die Effizienzsteigerung, das Recycling von Materialien, die Virtualisierung von Dienstleistungen und die Anwendung neuer Produktionstechniken wie dem 3-D-Druck.

Verkehr und Lebensmittelproduktion

Im Verkehrsbereich könnten die Kosten am stärksten durch Sharing-Modelle (40 Prozent) reduziert werden, während im Ernährungssektor die Optimierung, sprich: Verringerung der Lebensmittelverluste, als stärkster Hebel (35 Prozent) gilt.

Der Unsicherheitsfaktor, ob diese Circular-Trends auch tatsächlich so eintreten, dürfte allerdings nicht gering sein. So hat sich die deutsche Automobilwirtschaft laut Studie auf vier „disruptive Technologietrends“ einzustellen: Elektrifizierung, Autonomes Fahren, Konnektivität (Car-to-Car-Communication) sowie neue Mobilitätslösungen wie die umstrittene Taxi-Alternative Uber.

Ob sich im Jahre 2030 neben dem Umsatzfaktor „einmaliger Fahrzeugverkauf“ in Höhe von 400 Milliarden Euro dann auch ein Posten „wiederkehrende Erträge durch gemeinsame Fahrzeugnutzung“ mit 150 Milliarden Euro Umsatz etablieren kann, ist aus heutiger Sicht eher eine prognostische Kurvenfahrt, die auch im Graben enden kann.

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