Abgeordnetenhaus debattiert Amri-Affäre: Senator Geisel verspricht Aufklärung

Die mögliche Aktenmanipulation des Landeskriminalamts löst bei den R2G-Koalitionären unterschiedliche Reaktionen gegenüber der Polizei aus.

Der Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri hätte offenbar vorher verhaftet werden können. Foto: dpa

Hakan Taş, der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, hat schon manchen provozierenden Satz gesagt. Am Donnerstagvormittag aber, als das Abgeordnetenhaus über mögliche Vertuschungen im Fall Amri diskutiert, setzte er die möglicherweise Akten fälschenden Polizisten des Landeskriminalamts (LKA) mit Terroristen gleich. „Wer so handelt, ist keinen Deut besser als die, gegen die er ermitteln soll“, sagte Taş. Die Koalitionspartner SPD und Grüne waren offensichtlich nicht davon angetan – Applaus gab es von ihnen dafür nicht.

Am Mittwochnachmittag hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) in einer Pressekonferenz öffentlich gemacht, dass eine LKA-Akte zu Amri im Januar zurückdatiert wurde und er deshalb Anzeige erstattet habe. Die Veränderung hatte der vom Senat eingesetzte Sonderbeauftragte Bruno Jost festgestellt. Ziel war es offenbar, zu verschleiern, dass Amri wegen bandenmäßigen Drogenhandels durchaus hätte festgenommen werden können, bevor er bei seinem Anschlag auf dem Breitscheidplatz zwölf Menschen tötete und über 60 verletzte. Bisher hieß es, eine Inhaftierung sei nicht möglich gewesen, weil Amri nur ein Kleindealer gewesen sei.

Im Abgeordnetenhaus erläuterte Geisel am folgenden Morgen Hintergründe und versprach: „Sollte im LKA etwas verschleiert worden sein, werden wir es aufdecken.“ Für diesen Fall kündigte er personelle Konsequenzen an. Grundsätzlich stellte sich Geisel vor die Polizei und sagte, er habe weiter Vertrauen in sie.

Geisel hielt den Beamten nicht vor, die Bedrohung durch Amri falsch eingeschätzt und auch nicht, ihn nicht festgenommen zu haben. „Wenn unter enormem Druck gearbeitet wird, passieren Fehler“, sagte er – und war sich bis dahin einig mit Linksfraktions-Politiker Taş und den Rednern der anderen Fraktionen. Anders als Taş mit seinem „Keinen Deut besser“-Vergleich beschränkte sich Geisel aber daraus, eine „Fehlerkultur“ bei der Polizei zu kritisieren: „Wenn etwas passiert, muss man offen damit umgehen und darf es nicht dadurch noch schlimmer machen, dass man es verschleiert.“

AfD sieht „Bauernopfer“

Für seine Rede bekam Geisel nicht nur Beifall aus den eigenen Reihen, sondern auch von den Oppositionsfraktionen CDU und FDP. Allein die AfD applaudierte ihm nicht. Deren Redner Karsten Woldeit sprach später von einem „Bauernopfer“: Aus seiner Sicht sollen die Ermittlungen gegen LKA-Beamte von der politischen Verantwortung ablenken. Der CDU warf er vor, weiter in großer Koalition mit der SPD zu sein, weil bis Dezember Christdemokrat Frank Henkel Innensenator war.

Auf Henkel konzentrierte sich auch Hakan Taş: Der Fall Amri ist für ihn kein Problem der rot-rot-grünen Koalition, sondern der CDU und ihres Exsenators – „strukturell und personell sind das Hinterlassenschaften von Henkel“. Taş’ Argumentation: Die aktuelle Regierung sei erst kurz vor dem Anschlag am 19. Dezember auf dem Breitscheidtplatz ins Amt gekommen. Was dazu nicht passt: Die Manipulationen im LKA sollen im Januar passiert sein.

Die FDP-Fraktion sieht sich durch die mögliche Manipulation in ihrer Forderung nach einem Untersuchungsausschuss bestätigt, den auch die AfD will. Der Innensenator hingegen wertet Josts schnelle Ermittlungsergebnisse als Beleg dafür, dass es richtig war, stattdessen auf einen Sonderbeauftragte zu setzen: „Bei einem Untersuchungsausschuss wären wir immer noch bei der Konstituierung des Ausschusses.“ Redner der Regierungskoalitionen wie auch der CDU schlossen allerdings nicht aus, ein solches Gremium doch noch einzusetzen. Für den Grünen-Innenpolitiker Benedikt Lux unterstrichen die Vorkommnisse, wie nötig ein Landesbeauftragter für Bürger- und Polizeiangelegenheiten ist, den SPD, Linkspartei und Grünen in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt haben.

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