Abgezockte Mieter in Bremen: Wohngeld für die Dividende

Mieter des Vonovia-Konzerns gegen flächendeckende Mieterhöhungswelle in Bremen in ehemals staatlichen Wohnungen.

Deutsche Annington heißt jetzt Vonovia – geändert hat sich sonst nichts. Foto: Roland Weihrauch/ dpa

BREMEN taz | Frau Meyer wohnt jetzt im Altenheim. Bis vor Kurzem lebte sie noch in Peterswerder, in einer jener Wohnungen, die früher mal der Stadt gehörten. Seit vergangenem Jahr gehören sie aber der Vonovia, die vorher Deutsche Annington hieß und in Bremen über 10.000 Wohnungen gekauft hat. Auch die von Frau Meyer. Sie wurde modernisiert und sollte deshalb fortan mehr Miete kosten, eine Erhöhung in dreistelliger Höhe. Die Rente von Frau Meyer gibt das nicht her.

„Die Vonovia überzieht Bremen flächendeckend mit einer Mieterhöhungswelle“, sagt Tobias Helfst, Sprecher einer Initiative von betroffenen MieterInnen. Bis zu 200 Euro mehr sollen die Wohnungen kosten, sagt Vonovia – entweder weil sie die Häuser zuvor renoviert hat oder weil sie „höhere Vergleichsmieten“ geltend macht.

Vonovia spricht jedoch von „Mietererhöhungen mit Augenmaß“ – und verweist auf eine durchschnittliche Miete von fünf Euro pro Quadratmeter. Zudem würden die gesetzlich zulässigen elf Prozent Mieterhöhung „in einigen Fällen“ nicht ausgeschöpft – um die Erhöhung „möglichst sozialverträglich zu gestalten“. Und die „weitaus meisten“ MieterInnen würden der Erhöhung durchaus zustimmen, sagt Vonovia.

Gewinnsteigerung um 20 Prozent

MieterInnen, die sich widersetzten, würden verklagt, sagt indes die Initiative: „Das ist ein drastischer Versuch, uns zu vereinzeln und einzuschüchtern“, sagt Ingrid Marek, die in einer Vonovia-Wohnung in der Neustadt wohnt. Der Konzern widerspricht: „Das sind harte Vorwürfe, denen wir selbstverständlich gründlich nachgehen wollen“, sagt ein Vonovia-Sprecher. „Wir möchten niemanden einschüchtern.“ Hinweise auf die Mieterinitiative seien vom Hausmeister auch schon mal abgehängt worden, erzählt Marek. Von einer „Hetzschrift“ sei da die Rede gewesen.

Bundesweit stiegen die Mieteinnahmen der börsennotierten Vonovia in den ersten drei Monaten dieses Jahres um fast 50 Prozent – der Konzern hat zuletzt gleich zwei Konkurrenten übernommen. Im laufenden Jahr erwartet der Konzern eine Gewinnsteigerung um 20 Prozent, die Dividende der Aktionäre soll um zwölf Prozent steigen.

Auch in Bremen ist das Unternehmen mittlerweile der größte private Vermieter. „Menschen mit wenig finanziellen Möglichkeiten werden immer weiter an den Rand gedrängt“, sagt Marek. Viele der Neuerwerbungen der Vonovia in Bremen waren früher klassischer Sozialwohnungsbau. „Das ist ein massiver Angriff auf die Lebensverhältnisse in unserer Stadt, sagt Helfst. Andere Mieter sprechen von einem „Verdrängungswettbewerb“.

Kein Mietspiegel in Bremen

Weil es in Bremen keinen Mietspiegel gibt, bekommen jene, die nun mehr für ihre Wohnung zahlen sollen, ein „Sachverständigen-Mietwertgutachten“, das eine Architektin aus Karlsruhe geschrieben hat, im Auftrag der Vonovia. Es hat gut 17 Seiten – „und beeindruckt auf den ersten Blick sehr“, wie Marek sagt. Bei genauerem Hinsehen aber „erweist es sich als Bluff“.

Holger Gautzsch von „Mieter helfen Mietern“ in Bremen, der die Initiative vertritt, findet das Gutachten eher „dubios“. Es sei nicht nur „sehr allgemein gehalten“, sondern auch stadtweit „fast bis auf das Komma identisch“, egal, ob es um die Neustadt, Huchting oder Vegesack gehe. Er sieht durchaus Chancen, sich gegen die Mieterhöhungen zu wehren, derzeit seien zwei Fälle bei Gericht anhängig.

Ob die Mieterhöhungen angesichts der „dünnen Begründung“ vor Gericht Bestand haben wird, „darf bezweifelt werden“, sagt die Mieterinitiative siegessicher. In den „wenigen Fällen“, in denen es Rechtsstreit gebe, einige man sich „meist außergerichtlich“, sagt Vonovia.

Der Konzern hat man übrigens auch einen Rat für jene, denen ihre Miete nun zu teuer ist: Der Konzern helfe gern, Wohngeld zu beantragen, erklärte ein Mitarbeiter der Vonovia den MieterInnen. Nicht nur Tobias Helfst findet das „zynisch“.

Nachbarschaftsfest gegen den Abriss von Vonovia-Wohnungen in der Holsteiner Straße: Samstag, 15 bis 18 Uhr; Treffen von Vonovia-MieterInnen: Jeden 1. und 3. Mittwoch im Monat, 19 Uhr, BDP-Haus, Am Hulsberg 136.

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