Abschaffung des Paragrafen 219a: FDP sucht Kompromiss, CDU mauert

Während die FDP gemeinsam mit SPD, Linken und Grünen nach einem gemeinsamen Antrag sucht, überlegt die CDU für den 219a vor Gericht zu ziehen.

Zwei Hände halten ein Transparent, auf dem „§219a“ durchgestrichen ist

Protest gegen den Paragrafen im Dezember in Berlin Foto: dpa

BERLIN dpa/taz | Die schwarz-rote Regierung tritt mit einer Magenverstimmung an. Die SPD will Paragraf 219a, das Verbot der „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche, abschaffen. Die Union will ihn unbedingt behalten. Die SPD-Fraktion hat in der vergangenen Woche ihren Gesetzentwurf nach einer Absprache mit dem Koalitionspartner eingebracht. Dort sind aber längst nicht alle einverstanden.

Marcus Weinberg (CDU), familienpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, warf der SPD im Spiegel stilloses Verhalten vor: „Die SPD hat in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einen Gesetzentwurf mit Maximalforderung eingebracht, der die Union in einer ihrer Grundüberzeugungen vor den Kopf stößt.“ Die rechtspolitische Fraktionssprecherin Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) sagte dem Magazin: „Ich hätte nicht gedacht, dass die neue Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles als Erstes ihren Namen unter einen Antrag setzt, mit dem der Schutz des ungeborenen Lebens vermindert werden soll.“ SPD-Fraktionsvize Eva Högl hatte hingegen erklärt: „Uns ist wichtig, dass wir am Ende eine Lösung haben, die es Ärztinnen und Ärzten ermöglicht, objektiv über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren, nicht mehr und nicht weniger“.

Die SPD hatte ihren Gesetzentwurf zur Aufhebung des Paragrafen 219a Strafgesetzbuch bereits im Dezember einstimmig beschlossen, ihn dann aus Rücksicht auf den künftigen Koalitionspartner nicht eingebracht. So hatte der Bundestag Ende Februar nur über die Anträge von Grünen, Linken und FDP diskutiert. Der Paragraf bestraft Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch mit bis zu zwei Jahren Haft oder Geldstrafe. Er ist aber so weit gefasst, dass er auch verbietet, dass Ärzt*innen öffentlich darüber informieren, Abtreibungen durchzuführen. Im November war die Gießener Ärztin Kristina Hänel deswegen zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt worden.

Die Gesetzeslage schränke das Recht von Frauen auf Information sowie auf freie Arztwahl ebenso ein wie die Berufsfreiheit von Ärzt*innen, bemängeln Kritiker*innen. Zudem wird der Paragraf zunehmend zum Instrument von Abtreibungsgegner*innen, um Ärzt*innen systematisch anzuzeigen. Im Netz stellen diese selbsternannten Lebensschützer*innen die Namen von Ärzt*innen neben Bilder zerstückelter Föten und diffamieren sie als „Tötungsspezialisten“.

Konkreter Kompromiss steht noch aus

Im Bundestag gibt es mit den Stimmen von SPD, Linken, FDP und Grünen theoretisch eine Mehrheit für die Änderung oder Abschaffung des Paragrafen. Dafür müssten die Parteien sich aber zunächst auf einen gemeinsamen Antrag einigen. Die FDP wirbt derzeit offensiv für ihren Antrag, der nur noch grob anstößige Werbung oder solche für strafbare Abbrüche unter Strafe stellen will. Grüne und Linke wiederum wollen das Thema unbedingt außerhalb des Strafgesetzbuchs regeln. Handlungsbedarf sehen aber alle vier Fraktionen.

Die Abschaffung des Paragrafen sei die „zweitbeste Lösung“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann der Rheinischen Post vom Samstag. Die FDP-Fraktion erklärt auf Nachfrage, sie setze sich für eine „moderate, aber unbedingt erforderliche Anpassung“ des Paragrafen ein. Sie verstehe ihren Antrag als „ausgestreckte Hand an die Union“. Sollte die Union diese nicht ergreifen, bliebe als zweite Option die Streichung. „Eine Beibehaltung des Status quo wollen wir auf keinen Fall.“

Dass die Union das Angebot der Liberalen aufgreift, ist unwahrscheinlich. Die Fraktion hatte zuletzt mehrfach betont, an dem Paragrafen in seiner jetzigen Form unbedingt festhalten zu wollen. „Aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird es keine Unterstützung geben“, hatte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer gerade erst mit Blick auf den Antrag der SPD unterstrichen. Sollte ein entsprechendes Gesetz durchkommen, „ist zu überlegen, ob wir vor das Bundesverfassungsgericht ziehen“, sagte Elisabeth Winkelmeier-Becker. Juristinnen wie Ulrike Lembke vom Deutschen Juristinnenbund und Elisa Hoven vom Kriminalpolitischen Kreis haben bei einer Streichung von Paragraf 219a aber keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da Information den Schutz des ungeborenen Lebens nicht berührt.

Der Antrag der FDP würde Ärzt*innen erlauben, auf ihren Webseiten über ihr Tun zu informieren. Das will die Union aber auf keinen Fall. „Nicht nur das Anpreisen trägt zur Verharmlosung bei, sondern auch die sachliche Information als Angebot auf der Homepage eines Arztes.“, hatte Elisabeth Winkelmeier-Becker der taz im Interview gesagt. Die Union betonte mehrmals, dass Frauen jede nötige Information in den Beratungsstellen bekämen. Recherchen der taz aber zeigen, dass Beratungsstellen selbst oft keinen umfassenden Überblick haben – und dass einige Einrichtungen, etwa beim katholischen Träger Donum Vitae, Frauen ohne irgendwelche Informationen wieder wegschicken.

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