Ächtung als gefährlicher Rohstoff: Weißasbest auf Schwarzer Liste

Kanada schließt seine Asbestminen aus wirtschaftlichen Gründen. Deshalb wird das Land eine Ächtung des Stoffes nicht länger blockieren.

Weltweiter Protest: Südkoreanische Aktivisten fordern die Ächtung von Asbest. Bild: dpa

EDMONTON taz | Hugues Grimard lebt am Abgrund. Und das buchstäblich. Vor den Toren seiner Gemeinde klafft ein zwei Kilometer breiter Krater. Vom Rand schraubt sich eine Piste in weiten Bögen in die Erde hinein, bis auf 350 Meter Tiefe. Grimard hat nichts gegen das riesige Loch am Ortsrand, ganz im Gegenteil. Er hat große Hoffnungen in den Krater und die riesigen Lastwagen gesetzt, die dort hineinfahren können.

Grimard ist Bürgermeister von Asbestos, einem 7.000-Einwohner-Ort unweit von Montréal. Das Dorf lebt von dem Rohstoff in seinem Namen: Asbest. Der Krater gehört zur Jeffrey Mine, der einst größten Asbestmine der Welt.

Bis vor Kurzem förderte Kanada hier und in einer weiteren Mine in der Provinz Québec 150.000 Tonnen Weißasbest im Jahr. Ungeachtet der Gesundheitsgefahren und massiver Proteste im In- und Ausland.

Doch nach Jahren am internationalen Pranger steht die kanadische Asbestindustrie vor dem Aus, und Grimard muss sich was einfallen lassen. Denn die neu gewählte separatistische Regionalregierung von Québec entzieht der Asbestbranche jetzt die Unterstützung und will einen überlebensnotwendigen Kredit zurückziehen. Die Bundesregierung in Ottawa will den rund tausend Minenarbeitern in der betroffenen Region mit Übergangshilfen unter die Arme greifen.

Stillstand wegen Unwirtschaftlichkeit

Die Kehrtwende erfolgt nicht ganz freiwillig. Die Regierung in Ottawa beharrt noch immer darauf, dass Asbest „sicher und kontrolliert“ zu handhaben ist. Entscheidend sind vielmehr finanzielle Gründe. Die zwei Bergwerke in Québec lagen zuletzt wegen Unwirtschaftlichkeit de facto still. Es hätte neuer Millionensummen des Staates bedurft, um sie wieder zu öffnen. Die neue Regierung in Québec war dazu nicht mehr bereit.

Kanada war bislang der fünftgrößte Asbestproduzent nach Russland, Kasachstan, China und Brasilien. Über 90 Prozent des gefährlichen Materials ging in Entwicklungs- und Schwellenländer wie Indien oder Thailand. Die kanadischen Steuerzahler hatten die Branche mit Blick auf ein paar hundert Arbeitsplätze in politisch besonders umkämpften Wahlkreisen jahrzehntelang mit millionenschweren Subventionen aufgepäppelt.

Auch international spielte Kanada eine unrühmliche Rolle. Mit seinem Veto verhinderte das Land noch im letzten Jahr, dass Weißasbest auf die Liste der gefährlichen und umweltschädlichen Stoffe der Rotterdam-Konvention gesetzt wird. Zum Zeitpunkt der Abstimmung bei der Vertragsstaatenkonferenz in Genf schmiss Premierminister Stephen Harper demonstrativ ein Barbecue für die Minenarbeiter in Québec.

Die Blockade Kanadas verhinderte bislang, dass Kunden bei einem Import vor den Gesundheitsfolgen von Asbest gewarnt werden müssen. Außerdem bedeutet es geringere Sicherheitsauflagen und nimmt den Vertragsstaaten die Möglichkeit, den Import von Asbest komplett zu verbieten, ohne dabei Klagen vor der Welthandelsorganisation befürchten zu müssen.

Nun aber will Industrieminister Christian Paradis die Blockade aufgeben. Bei der nächsten Vertragsstaatenkonferenz in Rom nächstes Jahr wird Kanada erstmals einer Listung von Weißasbest als gefährlichen Rohstoff zustimmen. Weltweit sind laut Weltgesundheitsorganisation noch immer täglich 125 Millionen Menschen den gefährlichen Fasern ausgesetzt. Mehr als 100.000 Menschen sterben jedes Jahr, weil sie die Partikel bei der Arbeit einatmen, die allermeisten davon in Entwicklungsländern.

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