Ärzte ohne Grenzen zum UN-Gipfel: „An den Kernproblemen vorbei“

Kommende Woche veranstaltet die UNO den ersten „Humanitären Weltgipfel“. Angela Merkel nimmt teil, Ärzte ohne Grenzen haben abgesagt.

Ein Krankenhaus in Trümmern

Ruine eines Krankenhauses im syrischen Idlib, das von Ärzte ohne Grenzen unterstützt wurde Foto: dpa

taz: Warum fahren Sie nicht nach Istanbul?

Florian Westphal: Der Gipfel geht an den Kernproblemen der humanitären Hilfe vorbei. In Syrien, Jemen oder dem Südsudan brauchen Millionen Menschen akute Nothilfe, bekommen sie aber nicht, weil es für Hilfsorganisationen keinen sicheren Zugang gibt. Auf der Tagesordnung kommt das aber kaum vor. Stattdessen konzentriert man sich darauf, die humanitäre Hilfe mit der Entwicklungspolitik zu verzahnen.

Was ist daran falsch?

Entwicklungszusammenarbeit ist wichtig, um Länder langfristig zu stabilisieren. In bewaffneten Konflikten muss man aber erst mal dafür sorgen, die dringendsten Bedürfnisse zu erfüllen.

Andere Organisationen befürworten die Verknüpfung, da Entwicklungszusammenarbeit akute Krisen von vornherein verhindern könne. Liegen sie falsch?

Natürlich gibt es Fragen der richtigen Verzahnung. Nur: Entwicklungszusammenarbeit ist immer ein politisches Vorhaben und basiert meist auf Unterstützung von Regierungen. Humanitäre Hilfe dagegen kann nur dann funktionieren, wenn sie unabhängig ist; und Helfer können nur dann Zugang zu den Menschen bekommen, wenn sie bewusst unabhängig handeln. Sie dürfen sich eben nicht darauf konzentrieren, politische Vorstellungen umzusetzen.

Florian Westphal ist Geschäftsführer der deutschen Sektion von Ärzte ohne Grenzen

Abgesehen von diesem Thema: Welche Erwartungen haben Sie an Angela Merkel, die am Montag auf dem Gipfel sprechen wird?

Im vergangenen Jahr wurden 75 Krankenhäuser bombardiert, die Ärzte ohne Grenzen betrieben oder unterstützt hat. Wir hoffen, dass die Bundesregierung bekräftigt, dass solche Angriffe wirklich unabhängig aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssen.

Hat sich die Bundesregierung bislang ausreichend dafür eingesetzt?

Es gab richtige Tendenzen. Deutschland hat unter anderem eine Resolution des UN-Sicherheitsrates unterstützt, in der es um Angriffe auf medizinische Einrichtungen geht. Wir erwarten aber auch, dass die Bundesregierung ihre bilateralen Kontakte mit kriegsführenden Staaten nutzt, um wirklich darauf zu drängen, dass Völkerrecht eingehalten wird – auf diplomatischen Wegen und öffentlich.

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