Agent des türkischen Geheimdienstes: Todesgrüße aus Ankara

Mehmet Fatih S. lebte als Reporter getarnt in Deutschland. Sein Auftrag: kurdische Aktivisten ausspionieren und einen Mord planen.

Zwei Männer in Anzügen sitzen an einem hölzernen Tisch, im Hintergrund eine prunkvoll gefüllte Vitrine

Hakan Fidan (rechts), Chef des türkischen Geheimdiensts, mit Recep Tayyip Erdogan Foto: dpa

Der Plan, Yüksel Koç zu ermorden, passt auf ein Blatt Papier. DIN A4, unliniert, blauer Kugelschreiber: „Wenn Yüksel Koç sterben soll, dann müssen wir mit dem Team im Dauerkontakt stehen und alles genau besprechen.“ Eine leicht krakelige Handschrift, das Datum oben auf der Notiz: 28. Juni 2016. „Der beste Zeitpunkt für die Aktion ist während einer Demonstration.“

Die Notiz soll von Mehmet Fatih S. stammen. Er kam im Frühjahr 2014 nach Deutschland und hat in Bremen als Reporter für Denge TV gearbeitet, einen kleinen kurdischen Fernsehsender aus der Osttürkei. Sein zweiter Auftraggeber aber war offenbar ein viel mächtigerer: der türkische Geheimdienst Millî İstihbarat Teşkilâtı, kurz MİT.

Die Bundesanwaltschaft, die für Spionagefälle in Deutschland zuständig ist, verdächtigt den 31-jährigen S. dringend, für den MİT in Deutschland Kurden und ihre Einrichtungen ausspioniert zu haben. Ihr liegen Dutzende Berichte, Notizen und Fotos vor. Es sollen die persönlichen Aufzeichnungen des mutmaßlichen Agenten S. sein. Der taz liegen mehr als 20 Seiten dieser Dokumente und Fotos vor. Sie geben Einblick in das Doppelleben des mutmaßlichen Agenten. Dafür, dass sie als glaubwürdig einzuschätzen sind, spricht, dass auch die Bundesanwaltschaft ihre Ermittlungen unter anderem auf diese Dokumente stützt.

Yüksel Koç aus Bremen stand offensichtlich im Fokus des Agenten S. Der 52-jährige Koç ist Covorsitzender des Demokratischen Gesellschaftskongresses der Kurden in Europa und gilt als eine Führungsfigur der europäischen Kurdenbewegung. Den deutschen Teil der Organisation sieht der Verfassungsschutz in enger Verbindung mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die für mehr Autonomie in der Südosttürkei kämpft. Für die Türkei ist Koç ein Staatsfeind, für den mutmaßlichen Agenten S. offenbar ein Top-Ziel.

Erdoğans Spione sind schon lange in Deutschland aktiv

In Bremen suchte S. den Kontakt zu Koç, er stellte sich als Journalist vor. Die beiden trafen sich mehrmals, einmal lud Koç den Mann zu sich nach Hause ein. Im Frühjahr 2015 trafen sie sich in einem kurdischen Kulturverein in Bremen. S. wollte Koç interviewen. Ein Foto hält die Begegnung fest: Die beiden Männer sitzen nebeneinander vor einem Bücherregal, S. hält ein Denge-TV-Mikrofon in der Hand. Ein Mann mit Halbglatze und Kinnbart, er trägt ein weißes Polo-Shirt. Yüksel Koç, ein kleiner Mann mit breitem Schnurrbart und Lachfalten um die Augen, sieht so aus, als konzentriere er sich darauf, was er gleich ins Mikrofon sagen wird. Er ahnte nicht, wer da neben ihm sitzt: Ein Mann, der heimlich seinen Mord plant. Später notierte S. auf dem Foto: „Treffen mit Yüksel Koç“ – ein Beleg für seinen Auftraggeber?

Am 15. Dezember 2016 hat eine Spezialeinheit des Bundeskriminalamts S. in Hamburg festgenommen und seine Wohnung durchsucht. Er sitzt zurzeit in Karlsruhe in Untersuchungshaft. Bei einer Verurteilung wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit drohen ihm bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe.

Wegen des noch laufenden Ermittlungsverfahrens will sich die Bundesanwaltschaft nicht zu dem Fall äußern. Die Bundesregierung verweist auf die rechtliche Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft, und auch der Strafverteidiger von S. will derzeit nicht über das laufende Verfahren sprechen. Auch von der türkischen Botschaft in Berlin kommt nichts.

Eine Spionage-Affäre ist so ziemlich das Letzte, was das deutsch-türkische Verhältnis gerade gebrauchen kann. Selten war die politische Stimmung zwischen beiden Staaten so angespannt. In der Türkei ist nach dem abgewehrten Putschversuch im Juli 2016 von einem Rechtsstaat nicht mehr viel übrig. Den demokratischen Resten droht mit dem Verfassungsreferendum in zwei Monaten der nächste Schlag. Auf der anderen Seite hat der Flüchtlingsdeal die Türkei zu einem unverzichtbaren Partner für die deutsche Migrationspolitik gemacht. Während Angela Merkel vor zwei Wochen wieder nach Ankara reiste, um das stark strapazierte Verhältnis zu pflegen, liegt bei der Bundesanwaltschaft der Fall von Mehmet Fatih S., einem mutmaßlichen Agenten des Nato-Partners Türkei.

Es spricht einiges dafür, dass der lange Arm Erdoğans schon seit Jahren bis nach Deutschland reicht. Seit Sommer 2016 kursiert dazu eine Zahl, die aus deutschen Sicherheitskreisen durchgesickert ist: 6.000 Spione sollen hierzulande für den türkischen Geheimdienst arbeiten. Setzt man die Zahlen ins Verhältnis, käme auf rund 500 türkisch-stämmige Menschen in Deutschland ein Spion.

Vier Imame ebenfalls unter Verdacht

Die Bundesregierung bestätigt auf eine aktuelle Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke diese Zahl nicht. Sie erklärte, es lägen „den Bundessicherheitsbehörden keine verlässlichen Angaben vor“. Klar dürfte sein, dass es sich kaum um Tausende ausgebildete und festangestellte türkische Agenten handeln kann, sondern vielmehr um ein dichtes Netz aus Informanten.

Zuletzt war den Imamen der Ditib vorgeworfen worden, in Deutschland lebende Anhänger der Gülen-Bewegung ausspioniert zu haben. Anlass war eine geheime Anweisung des türkischen Präsidiums für Religionsangelegenheiten Diyanet, die der taz vorliegt. Die staatliche Behörde untersteht direkt dem türkischen Ministerpräsidenten. Sie ist auch dafür zuständig, Imame nach Deutschland zu entsenden.

Der stellvertretende Vorsitzende für Auslandsangelegenheiten bittet in einem Schreiben vom 20. September 2016 dringend um „einen detaillierten Bericht über jegliche Arten der Organisationsstruktur“ des Netzwerks des Predigers Fetullah Gülen, den die türkische Regierung für den Putschversuch im Juli verantwortlich machen will. Auf dem Schreiben der Diyanet ist abschließend auch vermerkt, an wen es verteilt werden soll: an die türkischen Botschaften und Generalkonsulate.

Dass zahlreiche Berichte aus Deutschland zurück nach Ankara geschickt wurden, hat die Ditib mittlerweile eingeräumt und die Verantwortung an die Religionsbehörde Diyanet abgeschoben. Am Mittwoch hat die Bundesanwaltschaft die Wohnungen von vier Imamen durchsuchen lassen. Sie ermittelt auch hier wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit.

Schon 2015 ist am Oberlandesgericht Koblenz Anklage gegen drei mutmaßliche türkische Geheimdienstmitarbeiter erhoben worden. Einer von ihnen soll früher ein Berater von Präsident Erdoğan gewesen sein. Die Anklageschrift warf ihm vor, als Führungsoffizier mit Informanten in Deutschland zusammengearbeitet zu haben. Das Verfahren wurde nach nur zwei Monaten aus „prozessökonomischen Gründen“, wie die Gerichtssprecherin zitiert wurde, vorläufig eingestellt. Die Angeklagten zahlten als Auflage Geldbeträge an die Staatskasse, für die Strafverfolgung war der Fall damit erledigt.

S. gewinnt Vertrauen

„Der Bundesregierung liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der türkische Nachrichtendienst MİT seine Aufklärungsarbeit in Deutschland im Zuge des Putschversuchs ausgeweitet und intensiviert hat“, heißt es in der Antwort auf die aktuelle Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke im Bundestag. Auch der deutsche Verfassungsschutz beobachtet die nachrichtendienstlichen Aktivitäten der Türkei nun strenger, dabei war der MİT lange ein enger Verbündeter unter den Geheimdiensten. Hakan Fidan, Chef des MİT, soll in Kürze nach Deutschland reisen und dort die Spitzen von Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst treffen. Den Fall des festgenommenen Mehmet Fatih S. werden die Dienste kaum ignorieren können.

Als der türkische Staatsbürger S. im Frühjahr 2014 nach Deutschland kommt, zieht er nach Bremen. S. ist selbst Kurde und stammt aus der Osttürkei. Er hat TV-Journalismus an einer türkischen Stiftungsuniversität in Nordzypern studiert. Fotos auf seinem Facebook-Profil zeigen ihn oft mit vollverspiegelter Sonnenbrille, mal mit Strohhut, meistens im Sakko. Er gibt an, den Mafiafilm „Der Pate“ zu mögen und ist Mitglied bei einer Plattform für türkische Journalisten. Sonst gibt er auf Facebook wenig von sich preis.

Vor dem Putsch: Schon 2015 wurde ein ehemaliger Berater Erdoğans wegen Spionage angeklagt, die Strafverfolgung wurde nach einer Geldzahlung eingestellt.

Nach dem Putsch: Seit Juli 2016 sollen die geheimdienstlichen Aktivitäten der Türkei in Deutschland intensiviert worden sein. Der Verfassungsschutz beobachtet dies nun verstärkt. Die Bundesanwaltschaft muss entscheiden, ob sie Anklage gegen Mehmet Fatih S. erhebt, der kurdische Aktivisten ausspioniert haben soll.

Spionierende Geistliche: Die Bundesanwaltschaft hat am Mittwoch mehrere Moscheen und Wohnungen von Ditib-Imamen durchsuchen lassen. Ihnen wird vorgeworfen, Gülen-Anhänger ausgespäht zu haben.

Die Recherche: Dieser Text entstand im Rahmen des Projekts taz.gazete, das sich für eine vielfältige Türkei-Berichterstattung einsetzt. Der Text wird ins Türkische übersetzt und ist dann auf gazete.taz.de nachzulesen.

Auf der türkischen Website bukim.com findet sich im Lebenslauf von S. der Eintrag: „hat sich intensiv mit dem türkischen Geheimdienst beschäftigt“. Diesem Lebenslauf zufolge erhielt er kurz darauf ein Stipendium für sein TV-Journalismus-Studium. Die Profilseite existiert weiter, die Angaben zu seinem besonderen Interesse verschwinden ab Oktober 2010 aus dem Lebenslauf, wie sich rekonstruieren lässt.

Der TV-Sender Denge-TV, für den S. nach Deutschland kommt, sitzt in Batman, einer Stadt in der Südosttürkei, 75 Kilometer vor der syrischen Grenze. Vor S. hatte der Sender nie einen Korrespondenten in Deutschland. Für die Berichterstattung sucht sich S. nicht die Hauptstadt Berlin oder das zentrale Nordrhein-Westfalen aus, sondern geht nach Bremen.

Sein Job als Korrespondent hilft ihm dabei, schnell Kontakte zu kurdischen Aktivisten und Politikern aufzubauen. Er gewinnt Vertrauen. Fotos zeigen ihn mit wichtigen Funk­tio­nären wie Remzi Kartal, der in Brüssel lebt und der Vorsitzender des kurdischen Dachverbandes Kongra-Gel in Europa ist, oder einer HDP-Abgeordneten in Frankreich. Er versucht auch ein Interview mit Cansu Özdemir zu verabreden, die für Die Linke in der Hamburger Bürgerschaft sitzt. Zu diesem Treffen kommt es aber nie.

Team und Freunde

Andere Fotos zeigen S. als Teilnehmer auf prokurdischen Demonstrationen, er schwenkt eine rote Fahne und schaut entschlossen in die Kamera. Seine Aktivitäten belegt S. mit Fotos, er schreibt Notizen und Berichte, legt eine Sammlung von Zetteln an. Er schreibt etwa über die Vorbereitungen für das Kurdische Kultur Festival Anfang September 2016 in Köln oder über ein Treffen des kurdischen Dachverbands Nav-Dem. Immer wieder hält er fest, an welchen Veranstaltungen Yüksel Koç teilnimmt, wen er trifft. „Es läuft super“, notiert er, „alles auf dem Weg.“

Im Sommer 2016 bereitet S. seinen Umzug von Bremen nach Aachen vor. Warum er dorthin ziehen will, ist unklar. „Was nach dem 30. September zu tun ist“, schreibt er oben auf einen Zettel. Punkt für Punkt listet er die Kosten auf: für eine neue Wohnung, das Umzugsunternehmen, Studiengebühren, einen Sprachkurs. Insgesamt kommen mehr als 10.000 Euro zusammen. Bezahlen sollte sie offenbar der Adressat der Notizen. „Im Oktober können wir dann wieder über einen neuen Plan sprechen“, schreibt S. unter seine Rechnung.

Aus den Aufzeichnungen wird deutlich, dass S. nicht auf eigene Faust handelte. Auch die Notiz mit den Mordplänen vom 28. Juni 2016 richtet sich an einen Dritten. Dort heißt es: „Ich kann die Freunde in Bremen nicht erreichen.“ S. beklagt sich, dass der Kontakt zum „Team“ nicht richtig in Gang komme. „Diesbezüglich möchte ich mich beschweren. Bitte schalten Sie sich ein und leiten Sie alles weiter.“ Das Schreiben soll offenbar an eine Art Führungsoffizier gehen. In seinen Berichten ist immer wieder von einem Team und von „Arkadaşlar“, den „Freunden“, die Rede.

Im August 2016 passiert dann etwas, mit dem S. nicht gerechnet hat. Bei der kurdischen Zeitung Yeni Özgür Politika meldet sich eine junge Frau. Es ist die Freundin von S., die mit ihm in Bremen zusammenlebt. Sie hat heimlich Berichte und Notizen abfotografiert sowie Fotos, die der mutmaßliche Agent bei Demonstrationen und Veranstaltungen gemacht hat, außerdem Seiten aus einem Reisepass. Ihr seien die Pläne ihres Freundes unheimlich geworden, sagt sie der kurdischen Zeitung. Und dass S. ihr 5.000 Euro pro Monat versprochen habe, wenn sie mit ihm zusammenarbeite. Sie habe abgelehnt. S. soll ihr erzählt haben, dass er für den türkischen Geheimdienst arbeite. Und er weihte sie offenbar auch in die Details der Pläne ein: Die Mordkommandos würden in Dreier­teams arbeiten, eine Person kundschafte mögliche Ziele aus, die zweite töte, die dritte koordiniere die Gruppe und verwische die Spuren.

Belegen lässt sich das nicht. Das gilt auch für einen weiteren Verdacht, den die Frau geäußert haben soll: Im letzten Jahr sollen drei solcher Teams bereits nach Deutschland gekommen sein.

„Euch bleibt nur noch wenig Zeit“

Viel ist über die Freundin von S. nicht bekannt. Angeblich soll sie mit ihm nach Deutschland gekommen sein, auch als Journalistin. Immer wieder seien die beiden gemeinsam bei kurdischen Veranstaltungen erschienen. Inzwischen wurde die Frau in das Zeugenschutzprogramm aufgenommen und hält sich an einem unbekannten Ort auf. S. taucht Ende August unter, nachdem er enttarnt worden ist. Wo er sich dann aufhält, ist unklar.

Am Nachmittag des 17. November 2016 bekommt Yüksel Koç eine Textnachricht von einer ukrainischen Nummer: „Ihr könnt froh sein, dass euch diese Nutte gewarnt hat.“ Und: „Sie wird dafür bezahlen.“ Das Profilbild des Absenders zeigt einen Mann im Fadenkreuz, darüber der Schriftzug „Hesap günü“, „Tag der Vergeltung“. In der Nachricht wird der Wohnort von Koç in Bremen genannt, „in deiner Straße werden wir dich begraben.“

Auch der kurdische Politiker Remzi Kartal in Brüssel erhält eine solche Nachricht von der gleichen Nummer: „Ihr habt einen gefunden, aber was macht ihr mit den vielen, die noch unter euch sind.“ Kartals Name taucht immer wieder in den Notizen von S. auf. „Euch bleibt nur noch wenig Zeit, lebt noch ein bisschen.“

Ende Dezember sitzt Yüksel Koç im ersten Stock eines kurdischen Kulturvereins im Hamburger Stadtteil St. Georg. Er frühstückt an einem der langen Tische, es gibt Brot, weißen Käse, schwarzen Tee. „Sie wollten mich töten“, sagt er nüchtern, „am liebsten noch in diesem Herbst.“ Er spricht leise, akzentfrei. Wenn es juristisch wichtig wird, wechselt er ins Türkische, so wie vorher bei der Pressekonferenz im Hamburger Rathaus. Nicht von seiner Seite weicht ein großer, kräftiger Mann mit kahlem Schädel. Er hat sich als Journalist vorgestellt, trägt einen Notizblock und eine Kamera mit sich herum. Fotos macht er keine, und er schreibt auch nichts auf. „Er passt ein bisschen auf mich auf“, sagt Koç.

Seit Herbst hält er sich selten länger an einem Ort auf. Wenn er in Bremen ist, kündigt er sich bei der Polizei an. „Ich muss vorsichtiger sein“, sagt er, „aber ich lebe weiter.“ Zuletzt lauerte die Gefahr viel näher als angenommen: S. soll nur wenige hundert Meter entfernt vom kurdischen Verein in St. Georg gelebt haben, in den Koç immer häufiger kam, nachdem er sich in Bremen nicht mehr sicher fühlte.

Ein Agent will Koç töten, ein anderer warnt ihn

Die erste Warnung erreichte Koç schon im Frühjahr 2016. Sie kam ausgerechnet von einem Mann, der selbst Agent des MİT sein soll. Er habe Koç in Bremen über Umwege kontaktiert. Sie müssten sich unbedingt sehen, lässt ihn der Mann wissen.

Bei einem Treffen verriet er Koç, dass dieser auf einer Todesliste stehe. Ob diese Begegnung wirklich so stattgefunden hat, lässt sich nicht belegen. Koç habe dem Mann absolute Vertraulichkeit zusichern müssen. „Natürlich habe ich ihn auch gefragt, warum er mir das erzählt“, sagt Koç. Der Agent soll geantwortet haben, er sei der Türkei gegenüber zwar loyal, aber wolle um jeden Preis ein zweites Paris verhindern.

In Paris wurden 2013 drei kurdische Aktivistinnen in ihrem Büro erschossen. Hinter der Ermordung soll der türkische Geheimdienst stecken. Die französische Polizei fasste schon nach kurzer Zeit Ömer Güney, er arbeitete als Fahrer für eine der Aktivistinnen und galt als Hauptverdächtiger. Die kurdische Community verband große Hoffnungen mit dem Prozess in Frankreich. Endlich gab es eine Chance, mehr über die Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes in Europa zu erfahren.

Nach drei Jahren waren die Ermittlungen im Sommer abgeschlossen, der Prozessauftakt wurde dennoch erst für Januar 2017 angesetzt. Einen Tag, nachdem in Hamburg der mutmaßliche Agent S. festgenommen wurde, zerstörte eine Nachricht aus Paris alle Hoffnungen: Das Verfahren wird niemals stattfinden, Ömer Güney ist im Gefängnis gestorben. Es war schon länger bekannt, dass er an einer schweren Krankheit litt.

Der nächste Spionageprozess zu den Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes in Europa könnte deshalb in Deutschland stattfinden. „Wenn die Sicherheitsbehörden sich richtig hinter den Hamburger Fall klemmen, können sie viel über die Arbeit des MİT in Deutschland erfahren“, sagt Koç. Die Bundesanwaltschaft muss nun entscheiden, ob sie Anklage gegen Mehmet Fatih S. erhebt.

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