Akten-Streit zum NSU: „Aufklärung soll verhindert werden“

Thüringens Innenminister Geibert verteidigt die Lieferung ungeschwärzter Akten an den NSU-Ausschuss. Seine Kritiker hätten „nicht verstanden, worum es geht“.

Der Untersuchungsausschuss des Bundestages wurde nun mit NSU-Akten zugeschmissen. Bild: dapd

taz: Herr Geibert, hört man sich in anderen Ländern und im Bund um, hat man das Gefühl, Thüringen sei durch seinen Umgang mit Geheimakten ein Sicherheitsrisiko. Sind in Erfurt schon die Blauhelm-Soldaten einmarschiert?

Jörg Geibert: Wir sind natürlich kein Sicherheitsrisiko. Die Akten bleiben ja geheim. Wir vertrauen den Abgeordneten, dass sie sich daran halten. Aber sie müssen doch Kenntnis von den Inhalten haben, um beurteilen zu können, was sie für ihre Aufklärung brauchen.

Manche Bundesländer hätten den Laster mit den ungeschwärzten Akten auf dem Weg nach Berlin am liebsten mit einer Art Sonderkommando abgefangen.

Eine abenteuerliche Vorstellung! Es ist eine verfassungsrechtliche Vorgabe, dass man als Exekutive nach Kräften die Legislative bei der Aufklärung unterstützt. Das mit brachialer Gewalt verhindern zu wollen ist wie in einem schlechten Krimi.

Es wird behauptet, nun steige die Gefahr, dass reihenweise Verfassungsschutzmitarbeiter und V-Leute auffliegen könnten. Alles Quatsch?

Ich kann die Schreckensszenarien nicht nachvollziehen. In diesen Akten stehen überhaupt keine Klarnamen von V-Leuten.

ist seit dem Jahr 2010 Innenminister in Thüringen.

In Sicherheitskreisen wird sogar gedroht, Thüringen aus dem Verfassungsschutz-Verbund rauszuschmeißen. Was sagen Sie dazu?

Diejenigen, die solche Drohungen streuen, haben nicht verstanden, worum es geht: Wir müssen das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden zurückgewinnen. Das geht nur mit Transparenz gegenüber denjenigen, die unsere Verfassungsschutzbehörden kontrollieren. Und das sind die Parlamentarier.

Sie selbst trauen offenbar Ihrem Verfassungsschutz auch nicht ganz. Das geht aus einem Vermerk über ein Gespräch mit dem NSU-Ausschuss-Vorsitzenden hervor. Sie sorgten sich demnach, bei einer Akten-Vorauswahl durch Ihren Verfassungsschutz hätten brisante Teile „verschwinden“ können.

Das scheint mir verkürzt wiedergegeben. Es ging um die Frage der Vorauswahl von Akten, und die halte ich für falsch. Da wir gar nicht wissen, was die Kontrolleure brauchen, stellen wir unseren kompletten Bestand zur Verfügung. Die Akten haben wir von mehreren Personen sortieren, scannen und zusammenstellen lassen. Wir haben dafür unterstützend eine große Zahl von Bereitschaftspolizisten eingesetzt. Damit haben wir nicht nur ein zügiges, sondern auch ein sehr objektives Verfahren gewählt.

In dem Gespräch soll auch das Wort „Sumpf“ gefallen sein …

Das bezog sich vor allem darauf, dass es nach dem Auffliegen des NSU im November 2011 noch zu Aktenvernichtungen gekommen ist, und zwar nicht bei uns, sondern im Bundesamt für Verfassungsschutz. Dieser Vorgang war es, der riesiges Misstrauen gegen alle Verfassungsschutzbehörden erzeugt hat. Vertrauen kann man nur wieder zurückzugewinnen, wenn man für Zweifel keinen Raum lässt.

Viele Auftritte in den NSU-Untersuchungsausschüssen, nicht zuletzt die des Ex-Verfassungsschutz-Chefs Thüringens, Helmut Roewer, haben in den vergangenen Wochen kein gutes Licht auf Ihr Land geworfen.

Der ein oder andere Auftritt hat tatsächlich dazu beigetragen, dass wir uns der Lächerlichkeit preisgegeben haben. Dabei waren es unsere Polizisten, die nach dem letzten Banküberfall dem NSU im November in Eisenach ein Ende gesetzt haben …

nach 13 Jahren und 10 Toten. Damit soll alles wiedergutgemacht sein?

Nein, das kann man nicht wiedergutmachen. Ich will nicht von Fehlern der Vergangenheit ablenken. Wir müssen alles schonungslos aufklären, und dann die richtigen Schlüsse für die Zukunft ziehen.

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