Aktionsplan gegen Missstände in der Psychiatrie: Bremen will Psychiatrie reformieren

Das Klinikum Bremen-Ost steht in der Kritik: Fixierungen, Sedierungen und ein Suizid lassen an der Umsetzung der Psychiatriereform von 2013 zweifeln.

Psychiatrie-Patienten proben den Aufstand: Szene aus „Einer flog über das Kuckucksnest“ Foto: dpa

BREMEN taz | Die Vorwürfe gegen das Klinikum Bremen-Ost wiegen schwer: Mehrtägige Fixierungen ohne Nachbesprechung mit den PatientInnen, Sedierungen ohne das Angebot einer Gesprächstherapie – und mindestens einen Suizidfall unmittelbar nach der Entlassung aus dem Klinikum Bremen-Ost. Nach der anhaltenden Medienberichterstattung über die Vorwürfe und die schleppende Umsetzung der bereits 2013 beschlossenen Reform steht das Thema nun wieder ganz oben auf der Tagesordnung der Bremer Politik: Jetzt geht es um Schadensbegrenzung und die zügige Abschaffung der – allerdings seit Jahren – kritisierten Missstände.

Den Anfang machte in der vergangenen Woche die Bremer Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD): Sie forderte auf der Sitzung der Gesundheitsdeputation eine „transparente Psychiatrie“ und kündigte an, die Kommunikationswege zur Behörde zu verbessern. Beschwerden der PatientenvertreterInnen lasse sie sich ab sofort direkt vorlegen, sodass Informationen über Missstände sie unmittelbar erreichten.

Außerdem war zu der Sitzung kurzfristig auch die Leitung des Klinikbetreibers Gesundheit Nord angetreten, um einen Aktionsplan vorzustellen: Dieser sieht die kurzfristige Neueinstellung von PsychologInnen und Pflegekräften vor, Zwangsmaßnahmen sollen nur noch nach dem Vieraugenprinzip angeordnet und hinterher in einer Fallkonferenz besprochen werden.

Auf der kritisierten Station 63 wurden außerdem die Pflegedienstleitung ausgetauscht und die Stationsleitung auf Oberarztebene verstärkt. Langfristig soll die Station aus ihrem jetzigen, baulich völlig ungeeigneten Turm aus- und in ein bis vor Kurzem noch für Geflüchtete genutztes Haus mit Garten einziehen.

Die Linke fordert Tempo

Gestern stand das Thema außerdem in der Bürgerschaft auf der Tagesordnung: In einer von der Linken-Fraktion initiierten aktuellen Stunde machte Claudia Bernhard (Die Linke) deutlich, dass die Probleme im Klinikum Bremen-Ost keineswegs neu seien und von einer zügigen Umsetzung der Reform überhaupt keine Rede sein könne. Sie kritisierte außerdem, dass der Aktionsplan keine eindeutige Festlegung enthalte, Zwangsmaßnahmen nur noch mit Dokumentation und ausreichender Nachbesprechung mit den PatientInnen durchzuführen.

Ebenso fehle ein klares Ziel, die Zahl der Zwangsbehandlungen zu senken und über die Entwicklung Auskunft zu geben. Es sei außerdem beschämend, so Bernhard, dass erst durch die massive Berichterstattung und den dadurch erzeugten medialen Druck etwas passiere. „Kaum irgendwo klaffen Wirklichkeit und Anspruch in Bremen so auseinander wie in der Psychiatrie“, sagte Bernhard.

Einig waren sich die VertreterInnen aller Parteien darüber, dass schnell Abhilfe geschaffen werden müsse – und zeigten dabei vor allem auf die Ressortchefin, in deren Verantwortung die Fachaufsicht liegt: „Niemand bestreitet, dass die Zwangsmaßnahmen zugenommen haben“, sagte auch Quante-Brandt. Bislang musste die Zahl der Zwangsmaßnahmen jährlich dem Gesundheitsressort gemeldet werden, ab jetzt lasse sie sich die Zahlen vierteljährlich melden, sagte die Senatorin.

Kritik an Berichterstattung

Einen verbindlichen Zeitrahmen für den überfälligen Umzug der Station 63 gebe es nun auch: Im ersten Quartal 2018 solle der Umzug stattfinden. „Auch mir geht es zu langsam“, sagte Quante-Brandt in der Bürgerschaft. Nun gelte es, „Station 63 zügig zu überwinden“.

Zuletzt hatte sich außerdem der Betriebsrat des Klinikums Bremen-Ost zu Wort gemeldet. In einer Presseerklärung bemängelte er die Berichterstattung, die den Beschäftigten unterstelle, „die schwierigen Bedingungen mitverursacht zu haben“. Der Betriebsrat wünsche sich für die Zukunft eine Anerkennung der „schweren Arbeitsbedingungen“.

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