Aktivistin über proeuropäischen Protest: Jung und europäisch

Katja Sinko hat nach dem Brexit-Votum begonnen, für „ihr“ Europa zu kämpfen. Warum müssen junge Menschen jetzt aktiv werden?

Will mit Protest wenigstens einen kleinen Unterschied machen: Katja Sinko Bild: Mirko Lux

Interview: VINCENT BRUCKMANN

taz: Der Brexit steht kurz bevor, der Nationalismus wächst: Schlechte Zeiten für Menschen, die für Europa kämpfen. Warum sind Sie dennoch zuversichtlich?

Katja Sinko: Erst das Brexit-Votum und dann die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten. Dazu kommt ein Rechtsruck in Europa, der insbesondere viele junge Menschen wachgerüttelt hat. Es ist die Zeit gekommen, in der wir uns als junge Generation für die Errungenschaften einsetzen müssen, die unsere Großeltern- und Eltern-Generationen erkämpft haben.

Was muss sich ändern?

Wir müssen uns dafür einsetzen, dass die EU sich reformiert und zu einer Union der Bür­ger*innen, einer Europäischen Republik, einem Europa der ­Regionen wird. Wichtig ist, dass es nicht weitergeht wie ­bisher. Wir brauchen ein Europa der Demokratie, der Nachhaltigkeit und der Solidarität.

Jahrgang 1990, ist Aktivistin und Leiterin der proeuropäischen Kampagne „The European Moment“.

Die EU darf nicht primär ein Wirtschaftsprojekt sein, sondern braucht eine soziale Säule. Sicherlich ist die Europäische Republik für viele eine Utopie. Aber auch der Mauerfall war für viele Menschen kurz vorher noch undenkbar.

75 Prozent der britischen Wäh­ler*innen zwischen 18 und 24 haben gegen den Brexit gestimmt. Wie können junge Menschen ihre Interessen ­gegen die Alten durchsetzen?

Gerade wir jungen Menschen müssen uns einbringen, es geht immerhin um unsere Zukunft. Ich weiß, dass Politik nicht immer einfach und die EU alles andere als unkompliziert ist. Dank Erasmus, Austauschprogrammen, Interrail oder ja, auch Billigfliegern, ist Europa für uns selbstverständlich geworden.

Profitieren davon wirklich alle? Oder nur die, die es sich leisten können?

Ich glaube, es gibt einige Globalisierungsgewinner*innen, wie ich es bin. Ich bin sicherlich privilegiert. Ich habe Erasmus in Manchester gemacht, in verschiedenen Ländern gelebt. Das ist bei Weitem nicht die Realität für alle Menschen. Es ist wichtig, dass man Angebote wie Erasmus, das typische Studierendenprogramm, ausweitet. Das gibt es auch für Auszubildende, das wissen aber nur die wenigsten. So etwas müsste man noch viel mehr pushen.

Wann? 6. April 2019

 

Wo? taz Neubau

Friedrichstr. 21, 10969 Berlin

und Umgebung

 

Was? Alles rund um Europa

 

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Warum haben Sie angefangen, sich für Europa zu engagieren?

Wir müssen etwas unternehmen, um nicht, wie viele junge Brit*innen, in einem Europa aufzuwachen, das zum Albtraum geworden ist. Ich habe daher mit anderen die Kampagne „The European Moment“ initiiert.

Wir bündeln proeuropäische Kräfte, um Druck auf politische Entscheidungsträger*innen auszuüben: mit Kampagnen, Petitionen und Demonstrationen. Zu unserer ersten Demo kamen 6.000 Menschen. Wir hatten nie eine Kampagne geleitet oder gelernt, wie man Politik beeinflusst. Das hat uns Mut gemacht.

Was würden Sie 14-jährigen Schüler*innen empfehlen, die diesen Artikel lesen. Wie können sie Europa retten?

Probiert aus! Habt keine Angst vor dem Scheitern. Wichtig ist, sich Gleichgesinnte zu suchen. Seid kritisch und leidenschaftlich zugleich! Allein von Veränderung zu reden ändert noch nichts. Ich habe selbst nie gedacht, dass ich eine Kampagne leite oder vor 6.000 Menschen spreche. Mit Leidenschaft kann man vielleicht keine Berge versetzen, aber zumindest einen kleinen Unterschied machen.