Angriff auf einen Flüchtling in London: „Er war ein guter Junge“

Ein brutaler Angriff auf einen Flüchtling in einer Londoner Vorstadt wühlt die Migranten auf. „Wir geben den Kampf nie auf“, sagt ein Kurde.

Blick auf eine Bushaltestelle bei Tageslicht

Bushaltestelle in Croydon: Dort attackierten die jungen Männer den 17-jährigen Reker Ahmed Foto: reuters

CROYDON taz | Vor der Ladenzeile in der riesigen Wohnsiedlung aus den 1950er Jahren hängen Teenager in Kapuzenpullis herum. Es ist Nachmittag, es sind Osterferien, zu tun gibt es wenig. „Hey, verpiss dich!“, sagt einer.

Es dauert nicht lange, bis eine Polizeistreife vorbeikommt. Die Jungen entfernen sich widerstrebend und lautstark.

Dass in diesem Teil Croydons südlich von London die Polizei dauernd präsent ist, ist neu, erzählt ein altes Ehepaar. Grund ist der brutale Angriff auf den 17-jährigen iranischen Kurden Reker Ahmed in der Nacht zum vergangenen Samstag. Als er mit zwei Freunden an der Bushaltestelle am Kreisverkehr wartete, wurde er von etwa 20 Personen brutal zusammengeschlagen, während Passanten zusahen. Mit Verletzungen am Rückgrat und Hirnblutung wird er bleibende Schäden davontragen. Dass er überhaupt noch lebt, ist großes Glück.

Laut Polizei wurde Ahmed vor dem Angriff gefragt, ob er Asylbewerber sei. Als er das bejahte, folgten Fußtritte an seinen Kopf.

Drogen, Alkohol, Frust, all das spiele eine Rolle

Zufällig steht jetzt ein 15-Jähriger aus kurdischer Familie an derselben Bushaltestelle. Ängstlich gibt er zu, dass die Jungen, die an den Läden herumstehen, ihm Angst machten. Jetzt am Nachmittag gehe es noch, hier allein auf den Bus zu warten, aber nach 18 Uhr sei es zu gefährlich.

Die Jungs auf der Straße hätten Eltern, die sich nicht kümmern, glaubt Apothekerin Sherie, 56, eine aus Kenia stammende Inderin, die stolz ist, dass ihre Tochter in Oxford studiert hat und Anwältin geworden ist. Seit Jahren würde sie und ihr Mann abends hier nur mit dem Auto durchfahren.

Der Besitzer eines kleinen Lebensmittelladens versteht nicht, wieso plötzlich alle an diesem Fall interessiert seien. Erst neulich, erzählt er, wurde hier ein 23-jähriger Fahrradfahrer so schwer mit einem Messer verletzt, dass er diese Woche starb. Zum Angriff auf Reker Ahmed hat er unterschiedliche Geschichten gehört. „Manche behaupten, es habe davor Streit gegeben.“ Drogen, Alkohol, Frust, all das spiele eine Rolle.

„Wir geben den Kampf nie auf“

Im Zentrum von Croydon gibt es mehrere kurdische Läden. In der Küchenecke einer kleinen Bäckerei fühlt sich Twana Rahman, 34, direkt bedroht. „Wissen Sie, ich kannte Reker“, sagt er betroffen. „Er war ein guter Junge, er kam fast jeden Tag gegen Sieben zum Essen.“ Er zeigt auf einen leeren Platz. Die anderen im Restaurant, alles Kurden, blicken betroffen auf. Rahman fährt fort: „Ich bin so traurig, dass ihm das zugestoßen ist. Er wollte hier nur bei seiner Tante leben und arbeiten. Seit das geschehen ist, laufe ich nach der Arbeit geradeaus nach Hause und schaue mich ständig um.“

Ein Kunde mit kräftigen Körperbau fährt ihm ins Wort. „Die haben keine Ahnung, mit was sie sich einlassen“, sagt er über die Angreifer. „Wir sind Kurden, wir geben den Kampf nie auf!“

Auch Arain Ashtaq, 57, hat nicht aufgegeben. Er kam als Teenager aus Kenia. „Die Leute zeigten noch mit dem Finger auf mich“, erinnert er sich an die 1970er Jahre und erzählt von Schlachten zwischen Faschisten und Antifa. Heute ist Ashtaq Sekretär des muslimischen Verbands von Croydon. Die Kurden hier, sagt Ashtaq, seien „noch nicht so etabliert. Die hier geborenen Jugendlichen mit somalischem Hintergrund würden sich so etwas nicht gefallen lassen.“ Zum Angriff vom Freitag gab es ein Vorspiel, glaubt er. „Es hängt mit dem Brexit zusammen. Der entließ den Dampf aus dem Kessel.“ Mit Flüchtlingen, sagt Ashtaq, sei Croydon vollkommen überfordert. Weil hier die zentrale britische Einwanderungsbehörde liegt, sind überproportional viele Asylbewerber hier.

Inzwischen wurden 13 Personen wegen des Angriffs auf Reker Ahmet angeklagt. Sie sind alle zwischen 15 und 25 Jahre alt. Manche von ihnen sollen selbst aus Flüchtlingsfamilien stammen.

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