„Ankommen – Flüchtlinge erzählen“: Ein langer Weg

Zehn Meter trennen die Soldaten voneinander. Zehn Schüsse erschallten, es starb keiner! Ein Gedicht.

Soldaten sind von hinten auf einer staubigen Straße zu sehen

Ein langer Weg. An einer Straßensperre? Wir machen nochmals Halt. – Checkpoint in Homs im Jahr 2011. Foto: reuters/Handout

Verstaubte Bäume auf beiden Seiten,

von hier sind die Soldaten nicht vorbeigegangen,

denn die Bäume sind immer noch erhaben!

Es gibt jedoch eine Straßensperre.

Nichts stört mich an der Straßensperre

außer das Herausholen meines Ausweises.

Im Gegensatz zu dem Mann auf dem benachbarten Sitz,

den alles stört außer das Herausholen seines Ausweises.

Er schaut mich an,

seine Augen sagen:

Hast du mich wiedererkannt?

Ich bin ein Sicherheitsmann.

In einer 16-teiligen Serie haben wir Flüchtlinge gebeten, uns das zu erzählen, was ihnen jetzt gerade wichtig ist. Wie erleben sie Deutschland, worauf hoffen sie, wie sieht ihr Alltag aus? In ihren Ländern waren sie Journalisten, Autoren, Künstler. Sie mussten Syrien verlassen, Russland, Aserbaidschan oder Libyen. Jetzt sind sie in Deutschland. Was sie zu sagen haben, lesen Sie im Oktober täglich auf taz.de. Alle Geschichten gebündelt gibt es in der taz.am wochenende vom 2./3./4. Oktober, erhältlich am eKiosk.

Ich habe nicht gelächelt.

Ich zog meine Augenbrauen zusammen:

Erkennst du mich wieder?

Ich bin diejenige, die du festnimmst.

Ein langer Weg.

Eine Brücke.

Auf der Brücke verteilen sich die Soldaten.

Zehn Meter

trennen die Soldaten voneinander.

Zehn Schüsse erschallten,

es starb keiner!

Alle Soldaten blieben Säule aus Steinen!

Wer hat geschossen?!

Wer starb?!

Ein langer Weg.

Viele Gruben.

Sie sind nicht für die Kanalisation,

sondern ein gewisses Zeichen für das Fallen eines Geschosses!

Ein langer Weg.

An einer Straßensperre?

Wir machen nochmals Halt.

Hier gibt es einen Zusammenstoß.

Die Fahrgäste werden gespannt.

Der Fahrer steigt aus.

Andere folgten ihm.

Der Greis raucht.

Der Sicherheitsmann drückt sich nieder.

Dagegen strecke ich meinen Kopf aus, um den Patronengeruch zu beschimpfen.

Kein Ton!!

Die gespannten Fahrgäste beruhigen sich nicht.

Mal hoch, mal runter.

Der freundliche Fahrer verteilt Kaffee.

Der Fahrer des benachbarten Busses

verlangte eine Tasse.

Ein Zusammenstoß.

Die Motoren wurden ausgemacht.

Vor uns bleiben fünf Kilometer,

wir werden fünf Stunden warten,

sagte ein neugieriger junger Mann.

Er stieg vom Bus aus und verschwand eine halbe Stunde.

Und dann kam er zurück.

Ich bitte Gott um Vergebung, sagte der Greis.

Und der junge Mann rechts von mir verfluchte die Götter,

während ich von einem langen Gedicht geschrieben werde.

Ein Zusammenstoß.

Die Verstärkungen sind angekommen.

Ein Hubschrauber über unseren Köpfen.

Soldaten in einem Transporter.

Die Soldaten entscheiden die Kampfrunde für sich.

Ruhe für einige Minuten.

Während eines Zusammenstoßes verschwinden

die Straßensperren der Sicherheitsleute

und die Regeln der Wörter.

Die Männer um mich schleudern die Schimpfwörter,

während die Blicke der Frauen aus Scham ausweichen.

So passiert es während eines Zusammenstoßes, die Gedanken bekommen freien Lauf

und die Wörter werden hemmungslos.

Das Gerede unterbricht das Klingeln der Handys.

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Die Person: Die Schriftstellerin und Künstlerin ist 1982 in Latakia in Syrien geboren. 2012 schloss sie ihr Kunststudium an der Universität in Damaskus ab. Seit September 2014 lebt sie in Deutschland.

Das Werk: Viele Jahre lang arbeitete Kifah Ali Dib für die Kinderzeitschrift Osama. Seit 2013 bis zu ihrer Flucht war sie Chefredakteurin der Kinderzeitschrift Regenbogen. 2012 gewann sie den arabischen Schöpfertumswettbewerb der Stadt Scharja für ihren Kinderbuchsammelband „Der Ausflug der Schildkröte“.

Ihr Gedicht wurde aus dem Arabischen übersetzt von Abdel Mottaleb El Husseini.

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