Anlegerschutz in den USA: Ratingagenturen verlieren Immunität

Das Urteil einer New Yorker Richterin ermöglicht es Anlegern, Ratingagenturen einfacher zu verklagen. Zumindest in den USA.

„Her Honour“ Shira A. Scheindlin in einem New Yorker Gericht. Bild: dapd

BERLIN taz | Fragt man, wer eine Mitschuld an der 2007 ausgebrochenen Finanzkrise trägt, kommt man schnell auf die großen US-Ratingagenturen Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch. Denn die halfen den Banken zuerst, minderwertige US-Hypotheken zu neuen Wertpapieren zu bündeln, und versahen diese dann anschließend auch noch mit Bestnoten. Zahlreiche Käufer fielen damit auf die Nase, unter anderem auch die deutschen Banken IKB und SachsenLB.

Dennoch konnte man den Agenturen juristisch nie etwas anhaben. Bis jetzt. Diesmal geht es um eine Klage, die 15 Großinvestoren 2008 einreichten, darunter die Stadt Seattle und die Abu Dhabi Commercial Bank, die Geld in Subprime-Papieren der Investmentbank Morgan Stanley angelegt hatten.

Die Kläger werfen den Agenturen Betrug vor. Diese beantragten, die Klage gar nicht erst zuzulassen, und begründeten das mit einem scheinbaren Totschlagargument: Ratings seien eine freie Meinungsäußerung und somit laut US-Verfassung sakrosankt.

Die New Yorker Richterin Shira Scheindlin aber, die schon die Schweizer Bank UBS wegen Diskriminierung einer Mitarbeiterin zu 29 Millionen Dollar Schadenersatz verdonnerte, wies den Einspruch vor einigen Tagen ab. Ratings seien als „faktenbasierte Meinungen“ sehr wohl justiziabel, „wenn eine Ratingagentur wissentlich eine Bewertung abgibt, die nicht durch eine logische Analyse gedeckt ist oder jeder faktischen Grundlage entbehrt“.

Haftung der Ratingagenturen fraglich

Die Kläger hätten gute Argumente, dass die Agenturen wider besseres Wissen Bestnoten verteilten. Das ist noch kein Urteil gegen die Ratingagenturen. Ob sie jemals für ihre irreführenden Bewertungen haftbar gemacht werden, ist offen. Die Bedeutung der Entscheidung besteht darin, dass darüber erstmals vor einem US-Gericht gestritten werden kann.

Ob die Ratings in Deutschland von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, ist eher zweifelhaft, weil ihnen hier eine wichtige gesetzliche Bedeutung zukommt: Lebensversicherer beispielsweise dürfen nur Wertpapiere mit guten Noten kaufen, um das Geld der Versicherten nicht aufs Spiel zu setzen.

In Deutschland waren Klagen bislang daran gescheitert, dass das zuständige Frankfurter Gericht erklärte, für derart internationale Streitfragen sei es nicht zuständig. Ende 2011 ließ das Oberlandesgericht jedoch erstmals die Klage eines Rentners, der Zertifikate der Pleitebank Lehman Brothers erworben hatte, gegen Standard & Poor’s zu.

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