App.net statt Twitter?: Die Zeichen der Macht

Der Kurznachrichtendienst Twitter macht sich unbeliebt, weil er die volle Kontrolle über seine Nutzer will. Alternativen gewinnen an Zulauf.

Twitter behandelt Entwickler zunehmend restriktiv. Bild: dpa

Es rumort im Twitter-Reich: Entwickler ärgern sich darüber, dass der populäre Kurznachrichten-dienst zunehmend die Kontrolle über sein Umfeld erhalten will. Twitter möchte möglichst viele Nutzer auf die eigene Website und in die eigenen Apps für Smartphones, PCs und Tablets holen, um dort dann Werbung verkaufen zu können. Nutzen User Twitter dagegen auf anderen Wegen, ist dies nicht oder nur erschwert möglich.

Dabei sorgten in den vergangenen Jahren vor allem externe Entwickler dafür, dass Twitter überhaupt erst so populär werden konnte, wie es heute ist. Twitter hatte zuletzt am Mittwoch neue Bedingungen vorgelegt, zu denen Entwickler Anwendungen für den Kurznachrichtendienst programmieren können.

Die sogenannte API mit der Versionsnummer 1.1 bringt einige Klopfer mit: So müssen sich Programmierer künftig strikt an Darstellungsregeln halten, nach denen einzelne Tweets auf Smartphone oder PC gelangen, akzeptieren, dass Werbung in den Twitterströmen ausgeliefert wird und erhalten Vorgaben, wie viele Nutzer sie maximal haben dürfen. Wer eine normale Twitter-Software anbietet, die mehr als 100.000 User hat, benötigt demnach künftig eine explizite Erlaubnis des sozialen Netzwerks.

Erste Programmierer haben daraufhin bereits die Notbremse gezogen: Die Mac-Version von Tweetbot, einem bereits auf dem iPhone populären Twitter-Programm der kleinen Firma Tapbots, ist künftig nicht mehr öffentlich verfügbar, eine über Wochen laufende kostenlose Betaphase wurde abgeblasen. Der Grund: Tapbots fürchtet, dass schon vor der eigentlichen Fertigstellung der Software die 100.000-Nutzer-Grenze überschritten wird und dann eine Bezahlversion nicht mehr verkauft werden kann.

Keine Slots mehr für zahlende Kunden

Twitter ist hier nämlich restriktiv: Ein einmal für ein Programm gezählter Nutzer kann auch nicht mehr so einfach abgezogen werden. Würden also 100.000 User Tweetbot für Mac nur im Rahmen der kostenlosen Betaphase ausprobieren, blieben keine Slots mehr für zahlende Kunden übrig. Es sei nicht möglich gewesen, das Problem mit Twitter selbst zu klären, hieß es von Tapbots. Der Leidensdruck ist mittlerweile so groß, dass Alternativangebote echte Chancen bekommen.

Das Projekt des Entwicklers Dalton Caldwell, der ein bezahltes soziales Netzwerk im Stil von Twitter aufbauen will, ohne dass ein Cent von Werbekunden kommt, erhält großen Zulauf. 800.000 US-Dollar nahm er innerhalb weniger Wochen an vorab bezahlten Mitgliedsgebühren ein, mittlerweile wurden bereits 250.000 einzelne Botschaften im Rahmen einer Vorabversion von App.net veröffentlicht.

Der neue Dienst hat außerdem erste externe Programme vorzuweisen. So gibt es Clients sowohl für Android- als auch für Apple-Handys. App.net funktioniert dabei sehr ähnlich wie Twitter: Kurze, 256 Zeichen lange Botschaften lassen sich hierüber im Web und anderswo verbreiten, man kann anderen Nutzern folgen und entdecken, ob User einen erwähnt haben („@mention“).

Es dürfte nicht lange dauern, bis App.net einen ähnlich großen Funktionsumfang wie Twitter erreicht – der Dienst ist trotz seines jungen Alters bereits erstaunlich fortgeschritten und stabil. Caldwell kann sich außerdem vorstellen, einen gewissen Prozentsatz seiner von Nutzern eingesammelten Monatsgebühren mit externen Entwicklern zu teilen. Das soll das Angebot an App.net-Programmen verbreitern – während es bei Twitter augenscheinlich in die entgegengesetzte Richtung geht.

Entwickler-Streit

Es ist kaum zu erwarten, dass Twitter von heute auf morgen durch solche Bestrebungen untergeht – dafür ist der Dienst mit seinen weltweit über 500 Millionen Nutzern einfach zu groß. Nutzer dürften den Streit mit den Entwicklern aber zunehmend mitbekommen.

So war Tweetbot für Mac auch deshalb in der Szene heiß ersehnt worden, weil die offizielle Twitter-Software für Apple-Rechner seit vielen Monaten nicht mehr überarbeitet wurde – sie erfüllt nicht einmal die offiziellen Darstellungsrichtlinien der API 1.1. Die Auswahl an Programmen für den Kurznachrichtendienst wird eingeschränkt, während Nutzer zunehmend mit Werbebotschaften konfrontiert werden.

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