Strahlenunfall in Biblis B

Arbeiter wurde während der Revision leicht verstrahlt. RWE informierte Öffentlichkeit und Ministerium wieder nur sehr zögerlich und verharmlosend, darf aber den Reaktorblock B trotz jetzt dreier Störfälle in zwei Wochen wieder anfahren

aus Frankfurt am Main KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Wie erst jetzt bekannt wurde, kam es schon am vergangenen Mittwoch in Block B des AKW Biblis zu einem Strahlenunfall. Bei einem Sturz von einer Treppe im Kernbereich der Anlage sei ein Mitarbeiter mit dem Kopf gegen eine „leicht kontaminierte Wand“ gefallen und habe sich dabei Verletzungen am Kopf und am Rücken zugezogen, so Ernst Müller, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Betreibergesellschaft RWE Power AG (Kraftwerk Biblis), gestern auf Nachfrage. Der Mitarbeiter sei dann in eine Klinik in Ludwigshafen gebracht worden, die als einzige Klinik in Deutschland über eine Spezialabteilung für Strahlenverletzte verfügt. Wie Müller weiter erklärte, sei der Mann dort unfallärztlich versogt und anschließend dekontaminiert worden. Dabei sei festgestellt worden dass der Grad der Verstrahlung „radiologisch ohne Bedeutung“ gewesen sei: „Kleiner als ein Prozent des Grenzwertes.“

Bleibt die Frage, warum die RWE Power AG zunächst versuchte, die Sache zu verschweigen und zu verharmlosen. Erst am Tag nach dem Vorfall wurde die von Verwandten des 50-jährigen Unfallopfers kontaktierte Lokalpresse informiert; und das auch noch nachweislich falsch. Denn RWE verschwieg zunächst die radioaktive Belastung und sprach nur von einem „Treppensturz“.

Auch die Atomaufsichtsbehörde im hessischen Umweltministerium wurde offenbar erst am Freitag umfassend informiert. Wie eine Sprecherin von Umweltminister Wilhelm Dietzel (CDU) erklärte, wurden am Wochenende „Ermittlungen“ aufgenommen; deren Ergebnisse lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Das Ganze wurde am Samstag durch den Hessischen Rundfunk öffentlich.

Die RWE Power AG ficht das alles nicht an. Das Unternehmen verkündete gestern stolz die Wiederinbetriebnahme von Block B – nach einem zweiwöchigen Stillstand wegen der „Nachladung“ des Reaktors mit neuen Brennelementen. Der von Dietzel nach gleich zwei Störfällen Ende August mit der Untersuchung dieser Vorfälle beauftragte TÜV signalisierte offenbar grünes Licht für die Wiederinbetriebnahme. Block B jedenfalls war keinen Tag länger als geplant abgeschaltet. Die umweltpolitische Sprecherin der Grünen im Hessischen Landtag, Ursula Hammann, hatte schon gleich gemutmaßt, dass die von Dietzel gegenüber RWE zunächst demonstrierte „Härte“ nur Tribut an den laufenden Bundes- und Landtagswahlkampf gewesen sei.