Ein Hauch von Ewigkeit

■ Den Kampf gegen die allgemeine Hektik sitzt man/frau aus – am besten auf einem Stuhl bei „Antiquitäten Partner“

So ein alter Southerland-Tisch ist was ganz Feines. Aus glänzendem Mahagoni, formschön und auch noch irre praktisch: die Platte ist abklappbar. Das schlichte Tischlein kann somit schmal und doch elegant in der Zimmerecke harren, bis unangemeldeter Besuch vorbeischneit. Und ruckzuck hat man einen komplett erwachsenen Tisch „an dem alte Damen herrlich Bridge spielen und Tee trinken können“ erzählt begeistert Bernard Klosterkemper vom Antikladen „Partner“.

Trotz vieler schmucker Interieurs fragt man sich im Laden, in dem es herrlich nach altem Holz duftet, wer wohl heute noch antikes Mobiliar erwirbt – außer steinreichen und bridgebegeisterten älteren Damen natürlich. Es ist doch die Zeit, in der sich niemand mehr den eigenen Bungalow leisten kann, Flexibilität und Umzüge von einer Mietwohnung in die nächste angesagt sind: Schnelllebigkeit lautet des Lebens Leitmotiv. Und die funktioniert besser ohne die alte Truhe aus der Gründerzeit, die eine halbe Tonne wiegt, oder den monströsen Wirtschaftsschrank von 1750.

Weit gefehlt, denn die Nachfrage an Antiquitäten ist selbst in der sparsamen Hansestadt ungebrochen. Der einrichtungsfreudige Bremer findet sie nicht nur in diversen Antikläden – wie auf der „Antikmeile“ Fedelhören – auch Auktionshäuser oder private Restauratoren haben Einiges auf Lager. „Das Problem ist nicht, die Sachen loszuwerden, sondern sie irgendwo aufzutreiben“ beschreibt Mitinhaberin Katharina Rusche die karge Antikmöbel-Szene nicht nur Bremens. Die fünf Inhaber des Ladens sind stets auf der Suche nach hochwertigen Schnäppchen. Auf internationalen Messen und Auktionen hält man ebenso Ausschau wie auf Märkten und bei Angeboten von Privatpersonen. Sogar der Flohmarkt auf der Bürgerweide werfe „echt“ Antikes ab. Wenn auch gnadenlos überteuert, findet Rusche.

Trends gibt es auch im vermeintlich schwerfälligen Antik-Gewerbe. Derzeit gehen vor allem helle Möbel aus Kirsche oder Buche weg wie warme Semmeln. Biedermeier funktioniert sogar immer, die dunklen Stücke aus der Gründerzeit dagegen erweisen sich allzu oft als Ladenhüter.

Bernard Klosterkemper ist kritisch. Sucht er nach einem Stuhl, dann heißt es aussitzen, und sei's bei „Sotheby's“ oder „Christie's“: „Da kann der Verkäufer machen, was er will. Ich setz mich 20 Minuten drauf. Erst wenn's dann immer noch bequem ist, wird gekauft.“ Für die kritische Kundschaft nur das Beste. „Ist die denn auch original?“ fragt ein älterer Herr gleich dreimal angesichts einer Kommode von 1830. Sie ist es, bis auf die nachgearbeiteten Beschläge. Früher waren mal Holzgriffe dran. Der Mann murmelt: „Da muss ich erstmal meine Frau fragen“.

Bei „Antiquitäten Partner“ darf mann/frau anfassen, ausprobieren und sogar probeweise ins eigene Heim stellen. „Nehmen wir diesen Edwardian Chair hier. Setzen Sie sich mal drauf. Und?“ In der Tat ein bequemer Stuhl. Es folgen zehn weitere Probesitzungen auf diversem Gestühl, einer schöner und komfortabler als der andere. Schon ein echt erhebendes Gefühl, wenn das Hinterteil die edle Polsterung eines „Late Georgian“ eindrücken darf. Da hat sich bestimmt schon allerlei Adel drauf positioniert.

Hier im Fedelhören gibt es jedoch nicht nur „Schlossmöbel“, sondern etwas für beinahe jeden Geschmack. Und auch Silber, Kunstgegenstände oder altes Kinderspielzeug. Gutbetuchte kaufen ebenso wie Otto Normalverbrauchers. Die nötige Sensibilität für den Käufergeschmack dürfte Klosterkemper inzwischen haben. Bereits mit 14 Jahren kaufte er sich seinen ersten von heute insgesamt 16 Biedermeier-Stühlen, hatte dafür „zweimal fünf Mark Taschengeldschulden bei Muttern gemacht“.

Der Reiz der Sache: Die Möbel haben sich in hundert oder mehr Jahren in Form und Funktionalität bewährt. Außerdem seien sie in dieser hektischen Zeit „Symbole für Ruhe und Ausgeglichenheit. „Sie können in jeder Wohnung einen anheimelnden Hauch von Ewigkeit verbreiten“, schwärmt Klosterkemper. Das Mobiliar von heute dagegen sei den immer schneller auftauchenden Modeerscheinungen unterlegen, das gute alte Handwerk bleibe nicht selten auf der Strecke.

Fast überzeugt. Verlieben könnte man sich in Empire Chair und Southerlandtisch. Wie die sich wohl auf den schrammeligen Dielen einer Studentenbutze machten? Zwischen „Billy“ und 70s-Couch könnten sie einen anheimelnden Hauch von Ewigkeit verbreiten. Oma und ihre Mädels würden sicher gern auf eine gepflegte Runde Bridge vorbeischauen. Und Mama bestimmt gönnerhaft zweimal 500 Euro Taschengeld vorschießen.

Roland Rödermund

„Antiquitäten Partner“, Fedelhören 90, Tel.: 326377