„UN- statt US-Intervention“

Charlotte Bunch, Direktorin des Center for Women’s Global Leadership, setzt sich für eine stärkere Rolle der Frauen bei künftigen Friedensprozessen ein, auch in Afghanistan

taz: Wie sollte die gegenwärtige Krise in Ihren Augen gelöst werden?

Charlotte Bunch: Erstens muss die US-Regierung die Bombardierung Afghanistans stoppen. Bomben sind keine Lösung, sondern erschweren Lösungen. Zweitens brauchen wir ein internationales Tribunal, vor das wir die Terrroristen stellen können.

Aber den Internationalen Strafgerichtshof gibt es noch nicht.

Stimmt. Die UNO hat jedoch die Möglichkeit, ein Sondertribunal einzurichten, wenn die US-Regierung mit ihr zusammenarbeitet. Drittens brauchen wir multilaterale UN-Truppen, die das Mandat haben, alle bewaffneten Gruppen in Afghanistan zu entwaffnen. Natürlich ist das schwierig, aber allemal besser als eine US-unilaterale Lösung.

Haben Sie in den USA Unterstützung für diese Position?

Die US-Medien standen nach dem 11. September völlig unter Schock. Diejenigen, die sich nie für internationale Politik interessierten, konnten sich nicht vorstellen, dass so etwas mal passiert. Ich war weniger überrascht, weil ich mich seit langem mit der Bedrohung von Frauen durch fundamentalistische Gruppen beschäftige. Dass Leute, die sich jetzt zum ersten Mal bedroht fühlen, patriotische Reaktionen zeigen, ist verständlich. Aber jetzt, wo ein bisschen mehr Zeit verstrichen ist, gibt es immer mehr Gruppen, die sich gegen die Bombardierung wenden. Vielleicht sind das insgesamt nicht mehr als fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung, aber das ist in den USA nicht wenig. Und: Als ich damals gegen den Vietnamkrieg protestierte, vertrat ich anfangs auch nicht die Mehrheit der Bevölkerung – bis wir schließlich zur Mehrheit wurden.

Können Sie so lange warten?

Natürlich kann die UNO nicht auf eine neue US-Mehrheit warten. Aber deshalb ist die Rolle von anderen westlichen Staaten und ihrer Bevölkerung so wichtig. Sie müssen Druck ausüben, damit die Bombardierungen aufhören und die UNO statt den USA einschreitet. Hinter vielen Kulissen wird bereits eine neue Interimsregierung für Afghanistan ausgehandelt, und es ist zu befürchten, dass die afghanischen Frauen erneut außen vor bleiben.

Wie kann das verhindert werden?

Indem wir wieder und wieder darauf hinweisen, dass es keine dauerhafte Lösung ohne die Frauen geben kann. Auch die Nordallianz hat Frauen grausam unterdrückt. Wir brauchen eine Interimsregierung, in der Frauen angemessen vertreten sind, mit mehr als ein oder zwei Stimmen. Es gibt sie, die antifundamentalistisch-demokratischen Frauenorganisationen, auf die man zurückgreifen könnte, zum Beispiel die „Revolutionäre Assoziation afghanischer Frauen“ (Rawa).

Sie erwähnten kürzlich in einer Rede in Berlin den Beschluss des Weltsicherheitsrats vom 31. 10. 2000, wonach bei zukünftigen Friedensprozessen immer auch Frauen beteiligt werden müssen. Was heißt das genauer?

Das ist ein wichtiger Etappensieg der internationalen Frauenfriedensbewegung gewesen. In allen UN-Friedenstruppen sollen nun auch Frauen mitmachen. Unter anderem, weil es auch unter UN-Soldaten Vergewaltiger gab.

Wie wäre es denn mit einem Weltsicherheitsrat der Frauen? Den man wenigstens symbolisch einsetzen könnte?

Das ist eine sehr interessante Idee. Frauen könnten zeigen, dass man auch andere Arten von Sicherheitskonzepten entwickeln kann, und wir könnten fordern, dass sie vor dem echten Weltsicherheitsrat gehört werden. UTE SCHEUB