Hilfe vom Laienbruder Stoiber

Die Finanzmisere des Deutschen Orden bringt den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber in Bedrängnis. Der CSU-Chef hatte dem Orden Steuervorteile verschafft. Nun wirft ihm die Opposition im Bayerischen Landtag Begünstigung vor

von BERND SIEGLER

Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) ist bei den Vereinen im Freistaat ein begehrter Mann: Wolfratshausener Gebirgsschützen, FC Bayern, 1. FC Nürnberg. Eine Mitgliedschaft indes bereitet Stoiber Kummer: Er ist „Familiar“, also Laienmitglied, im Deutschen Orden.

Das wäre nicht weiter schlimm, hätte Stoiber nicht höchstpersönlich daran gedreht, dass dem Orden in Bayern Steuervorteile gewährt werden – und wäre dieser nicht seit Ende vergangenen Jahres pleite. Die Zukunft der 120 vom gemeinnützigen Deutsch-Orden-Hospitalwerk geführten Krankenhäuser und Sozialeinrichtungen mit über 5.000 Beschäftigten ist in Gefahr – und Laienbruder Stoiber wird nervös. Der Deutsche Orden sei eine „sehr ehrenwerte Vereinigung mit hochrangigen Persönlichkeiten“, hatte Stoiber diesen noch Ende letzten Jahres verteidigt. Und das, obwohl die Staatsanwaltschaft schon damals wegen Betrugs, Untreue und Steuerhinterziehung ermittelte. Zu den neuen Meldungen über die Schuldenlast des Ordens äußerte er sich nicht mehr.

Mit seinem ungewohnten Schweigen brüskierte er die Opposition im Bayerischen Landtag. Die sieht in Stoiber einen der Hauptverantwortlichen für die Finanzmisere und droht mit einem Untersuchungsausschuss. Der Vorwurf: Stoiber habe den riskanten Wachstumskurs des Ordens begünstigt. Innerhalb kürzester Zeit hatte dieser Krankenhäuser, Alten- und Behindertenheime sowie Suchthilfeeinrichtungen vor allem in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen aufgekauft und war zu einem Sozialkonzern mit einer halben Millliarde Umsatz angewachsen. 1998 war der Orden von Frankfurt ins oberbayerische Weyarn umgesiedelt. Dort winkte die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts – und damit erhebliche Steuervorteile. Stoiber hatte sich in einem Brief an den damaligen Kultusminister Hans Zehetmair 1998 persönlich dafür stark gemacht. „Ich möchte Dich, lieber Hans, bitten, den Antrag des Deutschen Ordens positiv zu beurteilen.“

Der „liebe Hans“ tat, wie ihm sein Herr befahl, und der Deutsche Orden zog um. Als im vergangenen November die Zahlungsunfähigkeit feststand, mussten zwei Spitzenkräfte des Ordens ihren Hut nehmen. Doch die Schulden wuchsen. Heute sind es rund 350 Millionen Mark.

Auf Stoibers Intervention hin habe der Orden „über die geltenden Bestimmungen hinweg den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bekommen“, kritisierte SPD-Oppositionsführer Hans Maget. Nur deshalb seien die Banken zu weiteren Millionenkrediten bereit gewesen. Ohne Stoibers Einflussnahme, folgerte SPD-Wirtschaftsexperte Heinz Kaiser, hätte die Pleite „nicht solch große Ausmaße“ angenommen.

Die Staatsregierung reagierte dünnhäutig. Staatskanzleichef Erwin Huber sprach von einer „Rufmordkampagne“. Das Image des Machers, mit dem Stoiber den Basta-Mann Gerhard Schröder aus dem Kanzleramt drängen wollte, droht zu verblassen. Zuerst die Niederlage in Karlsruhe beim Eilantrag gegen die gleichgeschlechtliche Partnerschaft, dann die Watsche vom Bayerischen Verfassungsgericht für die dürftigen Antworten auf Fragen nach Flügen von Regierungsvertretern. Nun fiel auch noch Stoibers Wunschkandidat für den Intendantenposten des Bayerischen Rundfunks durch – und laut jüngsten Umfragen will nur ein Drittel der Bayern Stoiber als Kanzlerkandidaten.

Grund genug, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um das Thema Deutscher Orden vom Tisch zu bekommen. Gleich drei seiner Minister schickte Stoiber Anfang der Woche nach Rom, um beim Vatikan Gelder für den angeschlagenen Orden zu erbitten. Bei der Frage nach Ergebnissen für den Orden, der nun schrittweise seine Krankenhäuser aufgeben will und dabei den Staat in der Pflicht sieht, hüllten diese sich jedoch in Schweigen.