Blaue Briefe für soziale Projekte

Die Beratungsstelle für PendlerInnen aus Osteuropa steht vor dem Aus. Denn das Land Berlin streicht Personalstellen. Auch andere Projekte wie die AWO sind betroffen. Kreuzberger Stadtrat fürchtet Wegfall von 200 Stellen im Sozialbereich

von TILMAN STEFFEN

Trotz der zu Wochenbeginn zurückgenommenen Ausgabensperre für die Personalförderung in Frauen- und Sozialprojekten bleiben einige Projekte auf der Strecke. So hat die „Zentrale intergrierten Anlaufstelle für PendlerInnen aus Osteuropa“ (Zapo) einen Ablehnungsbrief auf dem Tisch. Ihre SAM-Stellen werden nicht verlängert, bestätigte gestern eine Sprecherin der Sozialverwaltung.

„Wenn kein Wunder geschieht, wird für uns Ende Mai Schluss sein“, klagt Conny Roth, Mitarbeiterin der 1997 vom Polnischen Sozialrat als Anlaufstelle für Migranten aus Osteuropa gegründeten Einrichtung. Zuverlässiger Geldgeber war bisher die Bundesanstalt für Arbeit, die ihren 50-Prozent-Anteil weiter zahlen würde. Berlin müsste die andere Hälfte geben. Nun verlangt der Zapo-Geldgeber, das Landesamt für Familie und Soziales, eine „angemessene Beteiligung“ des Vereins an den Personalkosten, darüber hinaus eine Beschäftigungsgarantie auch nach 2002. Für Zapo unerfüllbare Bedingungen.

Bleibt das Wunder aus, werden Veranstaltungen wie die Migrantinnen-Gesprächsrunde mit der Kreuzberger Ausländerbeauftragten Ulrike Ehrlichmann vom Dienstag die letzte gewesen sein. Dabei ist die Zapo offenbar weit mehr, als ein simples Beratungszentrum: Auch Redakteure von ARD und ZDF konsultieren das Projekt bei Wissenslücken. Die MitarbeiterInnnen halten Vorträge beim DGB, referieren bei Polizeischulungen oder dolmetschen bei Behördengängen.

Das Land muss eine politische Entscheidung treffen, fordert Sibyll Klotz: „Wollen wir das oder nicht“, sei die zentrale Frage. Doch gehe die Zapo ein „permanentes Risiko“ ein, wenn sie sich weiterhin auf die Arbeitsmarktförderung verlasse. EU-Gelder, oder eine Kooperation mit den Gewerkschaften könnten ein Weg sein. Schließlich dürfte die IG Bau ein Interesse an tarifgemäßer Entlohnung ausländischer Arbeiter haben. Auf „Gewinnabschöpfung“ setzt Helga Koothase, Vorsitzende des Landesfrauenverbandes. Strafgelder verurteilter Frauenhändler sollten den Hilfsvereinen direkt zufließen und nicht, wie bisher, der Landeskasse.

Die Zapo ist nicht allein von den Einsparungen betroffen. Nach Angaben von Lorenz Postler (SPD), Sozialstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, haben zahlreiche Projektträger in den vergangenen Tagen „blaue Briefe“ erhalten. Die angekündigten Sparmaßnahmen beschwörten eine „katastrophale Situation“ herauf, so Postler. Allein in Friedrichshain würden vermutlich über 200 Stellen im Sozialbereich und der Wirtschaftsförderung wegfallen. Auch der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Friedrichshain droht ab Mitte Juni der Verlust von elf Personalstellen.